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Tertii Tomi prima pars.
Aσματολογία. Seu, Miscellanea de Etymologia et descriptione cantionum non solum apud Italos, Gallos, Anglos, verùm etiam hac memoria apud Germanos usitatarum, et tàm usui Ecclesiastico, quàm Ethico, Politico et Oeconomico dicatarum.
Erster Theil, Darinnen Die Bedeutung der Namen, Wie auch Beschreibung fast aller Italiänischer, Frantzösischer, Englischer, und jetziger zeit in Deutschland gebruächlicher Gesänge, als Madrigalien, Canzonen, Villanellen, et cetera. erkläret wird.

Und wird derselbe in nachfolgenden 12 Capiteln abgehandelt.

  1. Von der Tabell und Abtheilnng der Italianischen, Frantzösischen, Englischen, und numehr in Deutschland gebräuchlichen Gesängen.
  2. Von den Gesängen, welche Geistliche unnd gravitätische weltliche Texte haben, Als: Concerti, Motetæ und Falso Bordone.
  3. Von den Gesängen, welche weltliche, possirliche Texte in gewissen

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    Versen haben, Als: Madrigalia, Stanza, Sestini und Sonetti.
  4. Von den Gesängen, welche weltliche possirliche Texte, doch nicht in gewissen Versen haben, Als: Dialogi, Canzoni, Canzonetti und Aria.
  5. Von den Gesängen, welche aus mancherley Stücken zusammen gesticket, Als: Messanza und Quodlibet.
  6. Von den Gesängen welche in Gassaten und Mummereyen braucht werden, Als: Giustiniani, Serenata und Balletti.
  7. Von den Gesängen, welche von den Arbeitern und BawrLeuten gesungen werden, als Vinette, Giardiniero und Villanelle.
  8. Von den Præludiis für sich selbst, Als da sind, Phantasien und Sonaten.
  9. Von den Præludiis zum Tantze, Als Intraden.
  10. Von den Præludiis zun Moteten und Madrigalien, als Tocaten.
  11. Von den Täntzen, so auff gewisse Paß und Tritt gerichtet, als: Padovana, Passamezo und Galliarda.
  12. Von den Täntzen, so nicht auff gewisse Paß und Tritt gerichtet, Als: Bransle, Courrante, Volte, Alemande und Mascharada.

Das I. Capitel.
Von der Tabell und Abtheilung der Italiänischen, Frantzösischen, Englischen, und nunmehr in Deutschland gebräuchlichen Gesängen.

Dieweil mancher Einfältiger offtmals gerne wissen wolte, was doch die unterschiedene Namen der Italiänischen und Frantzösischen Gesänge bedeuten möchten, So habe ich solches, wie ichs aus vieler vornehmer Autorum Schrifften zusammen gebracht, zur nachrichtung allhier andeuten wollen, freundlich bittend, dasselbe im besten auffzu-


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nehmen, und in succum et sanguinem zu vertiren. Es können aber solche Cantiones, Gesänge und Melodeyen fast alle in nachfolgender Tabel begriffen werden.

                                                                 
Cantilinæ habentur vel  cum textu  serio ut   Concerti  quæ partim in rebus sacris, partim prophanis, ut Heroum laudibus et Panegyricis solennitatibus adhibentur. Caput 2.  
Motetæ et 
Falso Bordone 
Iocoso, quæ considerantur ratione  Texti  Integri, qui constat versibus  certis ut   Madrigalia  Caput3.  
Stanza 
Sestini 
Sonetti 
Incertis, ut  Dialogi  Caput 4.  
Canzoni 
Canzonetti  
Aria 
consuti, ut Messanza Seu Quotlibet Caput5.  
Usus  Politici ut  Giustiniani  Caput6.  
Serenata 
Balletti  
Oeconomici ut  Vinetti   Caput7.  
Giardiniero 
Villanelle 
Sine textu ut  præludia vel   per se  Phantasia  Caput8.  
Fuga 
Symphonia 
Sonata 
vel ad  Choream, ut Intrada Caput9.  
Cantilenam, ut Toccata Caput10.  
Choreæ passum  Certorum  Padovana  Caput11.  
Passamezo 
Galliarda 
Incertorum   Bransle   Caput12.  
Courrante  
Volte 
Alemande  
Mascharada 

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Das II. Capitel.
Von denen Gesängen, Welche Geistliche und gravitetische weltliche Texte haben, Als: Concerti, Motetæ, und Falso Bordoni.

1. Cantio, concentus, seu Symphonia

1. Cantio, concentus, seu Symphonia, est diversarum vocum modulatio. Italis vocatur Concetto vel Concerto, quod Latinis est Concertatio, qua Variae Voces aut Instrumenta Musica ad concertum faciendum committuntur. Suavitas enim non tàm in artificio, quàm in ipsa variatione consistit. Germanicé ein Concert.

Usurpatur autem hoc Vocabulum Concert 1. in genere, quo quavis Cantione Harmonicæ. Wie davon ein vornehmer Musicus in Italia, Ludovicus Viadana seine Cantiones, uff die newe von ihm erfundene sehr anmutige und nutzbare Art gerichtet, mit dem Namen Concert intituliret, und in der vorhergesetzten Praefation unter andern dieses angedeutet: Daß es gar fleissig dahin gesehen, damit nicht gar zuviel Pausen inferiret würden, besondern, daß diese Concerten mehr Liebligkeit, Cadentien und Passaggien in sich hetten, Auch ein jegliches Wort, und dessen Syllaben exactè seinen Noten respondiren möge, damit die Zuhörer alle Wort und Sententias desto leichter einnehmen und verstehen köndten. Es habe ihn aber hierzu sonderlich bewogen, dieweil er gesehen, daß offtmals eine Mutet von 5, 6 oder mehr Stimmen in die Orgel gesungen worden, der Sänger oder Cantorn oder, sonderlich in den Klöstern, selten uber zwey oder drey gewesen, und also aus mangel der andern Stimmen der Symphony an Liebligkeit und Zierde viel entzogen, sonderlich, weil die außgelassene Stimmen mit fugis, Clausulis, et cetera. (Welchen in den andern Stimmen, so mit Musicanten bestellet, lange Pausen zu respondiren pflegen) erfüllet seyn. Und denn das nach langen und vielen Pausen der Text mutiliret unnd zerstümmelt den Auditoren viel Verdruß, und den Cantoribus mühe und arbeit zuwege bringet. Habe derowegen Hand an die Feder geleget, und etzliche Mutetten auff eine sonderliche Concertatweise mit einer, zwo, drey und 4 Stimmen gesetzet, und sonderlich zur Orgel accommodiret. Welche anderen soviel Lust und Beliebung gemacht, daß sie nicht allein in den Haupt Kirchen zu Rom öffentlich in grosser frequentz gesungen, sondern auch viel vornehme ingenia zur imitation excitiret und angereitzet haben.

Wie es denn auch am Tage, daß jetziger zeit in Italia fast alle, oder ja die meisten Componisten gar wenig von Madrigalien, meistentheils aber uff diese und der-


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gleichen Art gerichtete sehr herrliche Sachen, welche sie mit einer eintzigen, zwo, dreyen und vier Stimmen cum Basso generali pro Organo (darvon hinten in 3. parte mit mehrerem sol gesagt werden) in druck herfür kommen lassen, Concertos, concentus ac Motettas indifferenter nennen und inscribirn.

Und wiewol sie die Lateinische Cantiones oder Motetten, so uber 4 mit 5, 6, 7, 8 Stimmen gesetzt, meistentheils Sacras Cantiones, sacros Concentus et Motettas intituliren, So befinde ich doch, daß diese Wörter Concert, Cantiones, Concentus, Motettas eins wie das andere vor Geistliche Lateinische Gesänge unnd Cantiones verstehen. Wie dann der Steffano Nasimbenii nicht allein seine Missen und Psalmen auf 3 Choren mit 12 Stimmen, sondern auch die andern mit 9, 5 und wenigern Stimmen, Concertos Ecclesiasticos intituliret.

2. Inspecie à Concertando, Wenn man unter einer gantzen Gesellschafft der Musicorum etzliche, und bevorab die besten und fürmembsten Gesellen heraus sucht, daß sie voce humana, und mit allerlei Instrumenten, als Zincken, Posaunen, Block- und Querflöiten, Krumbhörner, Fagotten oder Dolcianen, Racketen, Violen de Gamba, groß und kleine Geygen, Lautten, Clavicymbeln, Regal, Positiffen, oder Orgeln, et cetera und wie die Namen haben oder erfunden werden mögen (davon im dritten Theil dieses Tomi weiter gesagt werden sol) einer nach dem andern Chorweise umbwechseln, und gleich gegen einander streitten, also, daß es immer einer dem andern zuvor thun, und sich besser hören lassen will.

Daher auch das Wort Concerti sich ansehen lest, als wann es von Lateinischen verbo Concertare, welches mit einander scharmutzeln heist, seinen Urspung habe. Fürnemlich und eigendlicher aber ist dieser Gesang ein Concert zu nennen, wenn etwa ein niedriger oder hoher Chor gegen einander, und zusammen sich hören lassen. Welche art, ob sie wol auch in Cantionibus Sex vocum gebraucht wird, kan es doch nirgend besser, als in denen, so mit vielen Stimmen uff 2, 3, 4, 5 oder mehr Chor gesetzt seyn angeordnet werden.

Die Engelländer nennens gar appositè à consortio ein Consort, Wenn etliche Personen mit allerley Instrumenten, als Clavicymbel oder Großspinnet, großLyra, Doppelharff, Lautten, Theorben, Bandorn, Penorcon, Zittern, Viol de Gamba einer kleinen Discant Geig, einer Querflöit oder Blockflöit, bißweilen auch einer stillen Posaun oder Racket zusammen in einer Compagny unnd Gesellschafft gar still, sanfft und lieblich accordiren, und in anmutiger Symphonia mit einander zusammen stimmen.


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2. Motecta.

Das Wort Moteta wird von unterschiedenen Autorn uff unterschiedliche Art außgeredet und gebraucht.

Sic nomina variant.                
1.   Jacob de Kerle  Moteta  in plurali Neutro  Posuerunt.  
2.   Lechnerus et Utendal  Motetta  in fœminino 
Philippe de Monte  in plurali Neutro 
3.   Ivo de Vento  Motteta  in plurali Neutro 
4.   Lechnerus  Motecta  in fœminino 
Utendal et Riccius  in plurali Neutro 
5.   Utendal et Ivo de vento  Muteta  in fœminino 

Alphonsus de Monte Dolio Comes, Moteta, Motecta, Modeta aut Muteta, Italica vocabula esse putat.

Porrò unde nomen Motectæ originem traxerit, variæ sunt opiniones. Quidam, quibus Philippus de Monte astipulari videtur, muteta, quasi mutatam, à mutando, eò quod Harmoniæ et fugæ invicem quasi commutentur, nomen traxisse, volunt. Si enim versus dicitur à vertendo, quod dictiones prius multipliciter vertendæ et invertendæ sint priusquam versus fiat. Nοn incommodé etiam Muteta vel bona cantilena à mutando nomen habere potest. Bona enim Cantilena rarό fiet, nisi ea mutatis fugis, Clausulis, intervallis, et progressionibus vel centies emendetur.

Johannes Magirus putat motectam quasi modo tectam dici, quod modus seu Tonus in illis tacité et quasi tecté lateat. Μoteta enim certi est modi vel generis cantilena.

Johannes Lippius verò moteta à motando, quod gravitate sua, et naturali quasi artificio penitissimé mοveat.

Et Johan Petreius Typοgraphus οlim Noriberg in praefatione quadam sic ait: Selectas præstantissimorum artificium Cantiones, vulgus Italorum ab elegantia Modulationis modetas vocat.

Darmit aber der Musicus benevolus wissen möge, wie und welcher gestalt etliche Musici Autοres Itali diese Namen Concerti, Μοtetti, Cοncentus, et cetera. οhn unterscheyd gebraucht haben, Habe ich sοlches hierbey in etwas demonstriren und andeuten wollen.


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Hierunter sind etliche Autores, die beyde Wörter (Concerti und Motetti) gebrauchen, Als Αntonius Faber, und Simon Molinarius. Thomas Cechinus inscribirt seine Bicinia, Μotetti Concertati. Andere Concentus, Sacra Cantica, Sacras Cantiones, Laudes, Harmonias, Margaritas, Dei Laudes, divinas Laudes, Μelodias sacras, Spirituales, Tympanum cœleste, et cetera.

Ob nu wol diese also mit 2, 3, 4, 5 Stimmen gesetzte Cantiones gar füglich Concerti genennet werden können, aus den Ursachen, Dieweil in etlichen die beyde, drey oder vier Stimmen, einer dem andern die Harmoniam, und bey etlichen die Passaghien oder diminutiones nachfugieren, und was vorher gesungen, nachmachen, dann bald zugleich zusammen fallen, und also gleichsam miteinander concertiren, wer es zum besten heraus bringen kan. Dahin denn auch meine in Polyhymnia Tertia et Quinta (davon im dritten Teil) auch die in der 2, 3, 4, und fünfften Art gerichtet seyn.

So haben doch die meisten, eben derselben Art Cantiones unnd Concentus mit dem Namen Motetti inscribiret, Die wenigsten aber den unterscheid gehalten, daß die Motetten uffrechte Orlanische Motetten, die Concert aber uff Madrigalische Art gesetzet haben.

Etliche wollen auch diesen unterscheyd machen, Daß die Concert, uff etliche unterschiedene Chor gerichtet, meistentheils ohne sonderbare Variatones und Observationes der Fugen gar schlecht, Die Motetten aber majori industria et artifi-


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cio und nicht uber 8 Stimmen gesetzet werden. Welches sich aber auch nicht in allen befindet. Sintemal es in des Joan Gabrielis primo libro Symphoniarum sacrarum, die Cantiones mit 6, 7, biß uff 16 Stimmen, uff 2, 3, und 4 Chor gerichtet, billich nicht allein Moteten, dieweil sie uff die rechte Motetten Art, deren sich der Orlandus (quem in isto genere hac nostra memoriâ Primas tenere arbitror) gebrauchet, gesetzet. Sondern auch Concerten, dieweil sie uff unterschiedene Chor gerichtet seyn und die VocalStimmen gleichsam darinnen mit einander concertiren, genennet werden müssen.

Und ob wol Johannes Gabrielis, Lamberti de Saive, und anderer fürnehmen Musicorum Cantiones Ecclesiasticæ und Kirchen Concert, mit dem Titel, Symphoniæ sacræ sive Motettæ , inscribirt, und also dadurch solche Cantiones, welche mit ConcertatStimmen, zugleich auch allerhand Instrumenten anzuordnen, verstanden werden. Welches denn auch recht und billich Symphοnia, das ist ein lieblicher Concentus, zuammenstimmnug und anmutige Harmonia genennet wird.

So befindet sich doch in mehr gedachtem Johannes Gabrielis letzt publicirten opere, daß er unter obgenandtem Wort Simfonίa (aliàs Symphonia) auch dieses will verstanden haben, wenn etwas ohne Vocal Stimmen allein mit Instrumenten, es seyn nun Violen, Posaunen und dergleichen musiciret werden sol.

Wie dann auch Ludovicus Viadana seine Canzonen so er mit 8 Stimmen uff allerhand Instrumenten zu gebrauchen gar sehr fein und artig gesetzet, mit diesem Namen Sinfoniæ Musicali intituliret. Daher ich dann in dieser signification solch Wort Sinfonian gleichsfals zu gebrauchen, Ursach bekommen. Wie dann auch vor unserer zeit, welchs aber nunmehr abkommen, das Wort Symphonia oder Symphoney gebraucht worden, Wenn man den Haußmann oder Stadtpfeiffer mit seiner gantzen Symphοney, das ist mit allerhand Instrumenten, als: Zincken, Posaunen, Trommeten, Geygen, Flöiten, Krumbhörnern, Dolcianen, et cetera hat fordem lassen.

3. Falso bordone.

1. Fürs erste werden die Psalmen, so im Anfang der Vesper, als Nota contra Notam in einer reige nach einander in unisono gesetzt seyn, Psalmi Falsi Bordoni genennet. Wiewol in denselben nunmehr der Baß in der Quinta unter dem Tenor allezeit gefunden wird, so die Harmoniam gut und Complet machet.

2. Bey den Italis aber ist Falso Bordone, welches die Frantzosen Faulx Bourdon nennen, wenn ein Gesang mit eitel Sexten nacheinander gesungen


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wird, also daß der Alt vom Discant eine Quarta, und der Tenor vom Alt eine Tertia niedriger, und also oben eine Quart, vnd unten ein Tertia respectu mediæ Vocis ist.

Erat autem veteribus receptum, ut iucundissimæ harmoniarum excursiones interdum hac ratione instituerentur. Sed cum veram Basin non habeant, et Bordone Italis chordam, quæ ύπάτην seu maximam in Testudine proximé sequitur, significet, Falso Bordone appellatur. Denn die Tertia hat ihren natürlichen Sitz nicht in sonis gravibus et inferioribus, besondern in sonis acutis et superioribus.

3. Und wie fürs dritte Bordone eine grosse Hummel, welche daher rauschet, summet und brummet, interpretiret wird, Also gibt diese Art keine liebliche, sondern rauschende, summende und brummende Harmoniam, Und solches wegen folgender Ursachen. Erstlich weil die Tertia ihren locum naturalem hat in sonis superioribus, wie aus den numeris Harmonicis radicalibus et proportionalibus 1, 2, 3, 4, 5, 6, 8 und folgenden Schematismo zu ersehen.


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Denn 1 und 2 bestätiget eine Octavam in sonis inferioribus. Wie aber zwischen 1 und 2 keine andere mittelzahl, also ist zwischen G unnd g weder Quinta noch Tertia und 3 aber bestetiget eine Quintam, Wie 3 und 4 eine Quartam in sonis intermediis. Es kan aber gleicher gestalt die Quinta in Tertiam Majorem und Minorem (wegen deß, das zwischen 2 und 3 keine mittelzahl) nicht abgetheilet werden. Endlich bestetiget 4 und 5 Tertiam Majorem, 5 aber und 6 Tertiam minorem in sonis acutis et superioribus.

Hieraus sihet man nun, daß die Tertia ihren Locum naturalem nicht in sonis gravibus, besondern in acutis habe. Und weil die Harmonia am besten, in welcher die Consonantiæ an ihren gebürenden und natürlichem orte gesetzet werden, und die Tertia in sonis acutis eine liebliche Harmoniam machet, Als folget daraus, daß sie in sonis gravibus einen trawrigen unlieblichen und rauschenden concentum zu wege bringet. Wie gleicherweise die Octava in sonis acutis et superioribus eine hiulcam harmoniam verursachet, Wie aus diesen Schemate, darinnen der consonantiarum sedes und series naturalis invertiret wird zu sehen.


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Zum andern, weil die Quartæ nach etlicher Meynung, consonantiæ perfectæ, und derselben nicht zwey, geschweige denn mehr, ja nicht zwey consonantiæ imperfectæ absque vitio auff einander folgen können, so wolte daraus folgen, daß ein solcher Concentus nicht zu approbiren sey.

4. Zum vierdten fallen in obliqua σχέσει non Harmonicæ für, welche die Theorici nicht gerne zulassen wollen, weill es vitiosi progressus. Denn wenn die Tertia, welche in sonis gravibus gesetzet, per octavam in sonos acutos erhoben wird, hat man so viel Quintas zwischen der obern und mittel Stimme, als man zuvor Quartas gehabt hat.

5. So werden auch die Clausulæ finales cujuslibet toni, falsi Bordon genennet. Dann Bordoni propriè seynd säume und gebrähme an Kleidern, als ende, und gewisse weise eines dinges, Wie aus den Antiphonis (ubi Clausulæ finales cum Clausulis finalibus Tonorum et Basibus videntur ex parte esse incertæ et falsæ) zu sehen. Wobey dann zu erinnern, daß etliche vermeynen, der Tenor habe unnd führe seinen Namen auch à Bordon, quod est Latiné Tenor, Germanicé ein Stender, der unter einem Ast am Baume, so voll Gewächs henget, als ein Stützen gesetzet wird, dorauff der gantze Baum ruhet. Oder als ein Jacobs- und Bilgerstab (Bordone, el'hasta che porta il peregrino per viaggio) denn ein Peregrinator oder Wallersman in der Hand hat, und sich daran halten muß. Item ein baume mit Eisen beschlagen, da man ein Hauß mit stützet, und die gantze Last uffruhet. Die Zimmerleute nennen es Bordonale einen Träger. Also sollen der Tenor bey den Lateinern den Namen uberkommen haben, gleich wie ein Bordon, der den gantzen Gesang unterhalten sol. Wiewol Aristidis Quintiliani Meynung nicht unbekant seyn wird: Qui Tenoris nomen à Tónos, id est, accentus, deductum esse testatur liber I, caput 5. Ut enim accentu, vocabuli quæ naturam metimur, sic harmoniæ naturam consideramus potissimum in Tenore.

Aber hiervon im IV. Tomo geliebt es Gott mit mehren. Der andern KirchenGesängen Denominationes und Ursprung sind in I. parte Tomi Primi außführlich eingeführet worden.

Das III. Captiel.
Von den Gesängen, welche weltliche possirliche Texte in gewissen Versen haben, als: Madrigalia, Stanza, Sestini, Sonetti.

I. Madrigalia.

Die Μadrigalia, wie auch nechstfolgende, als Dialogi, Stanza, Sestini, Sonetti, Canzoni, Canzonette, haben ihren Namen nicht von der Melodey des Gesanges, sondern à textu et versibus.


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Dann Madrigale ist ein Nomen Poematis, und nicht Cantionis, welcher Text meistentheils aus dem Francisco Petrarcha, Bocatio, Petro Bembo, und Dante, genommen seyn.

Es lest sich aber ansehen, als könne Madrigale derivirt werden 1. Quasi madre della gala, mater de sententia. Wann diese Poeten einen gantzen sensum in 8, 9, oder 10 Versen oder ryhen nicht mehr noch weniger begreiffen. Denselben Text nimpt ein Componist bißweilen zu einem theil alleine, bißweilen macht er auch zween theil daraus, Wie in Marentii und anderer Composition genugsam zu ersehen. Do aber geistliche in so viel reymen oder reyhen geschrieben, und vom Componisten zur Harmoni gesetzet werden, so nennet was es Madrigalia Spiritualia.

2. Quasi Madre della gaia, oder uff Frantzösisch gay, quod est laetitæ, lætus, oder auch Madre galante, hoc est, venustus, lepidus, bellus, elegans, quasi mater alacritatis vel lætitiæ, Als lustige weltliche Lieder, weil sie etwas anmutiger, frischer und frölicher, weder die Moteten Lauten.

3. Quasi Mandri-gale, hoc est, Carmen pastorale, dictum à Mandra, videlicet à gregibus ovium, quod ejusmodi rustica carmina inter pascendum canerent. Allermassen noch heutiges tages die Hirtten und Schäfer mit der Sackpfeiffen ihren Schäfflein vorzupfeiffen pflegen. Mandriale enim et Mandrian vocatur Pastor seu custosovium.

Exemplum ex Francesco Petrarcha.

Madrigolo 2.

Peroh' al viso d'amor portana insegna.
Mosso una pellegrina il mio cor vano,
Ch'ogni altra mi parea d'honor men degna
E lei sequento sic per l'herbe verti
Udi dir l'alta voce di lontano:
Ahi quanti paßi per la serva perdi:
Allor mi strinsi a l'ombra d'un bel faggio
Tutto pensosa, e rimirando intorno
Vidi assai periglioso il mio viaggio
E torna' indietro quasi a mezo il giorno.

2. Stanza.


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Stanza, id est, Domicilium seu habitaculum, eine Cammer, darinn etwas verschlossen, und ein jeder seinen sonderlichen Schapp oder Fach hat. Eben so viel Gesetze, nemblich 4, 5, oder 6, mehr oder minder nicht, machen die Poeten, und wird genennet, Prima Stanza, secunda Stanza, et cetera gleich als primus strophus, prima pars, der erste Schapp, Gesetz oder Theil, der ander Schapp oder Gesetz. Unnd so viel Theil machen auch die Componisten daraus, Und gebrauchen es auch also:

       
Prima  stanza, id est pars. Der erste, ander oder dritte Theil.  
Secunda 
Tertia 

3. Sestini.

Sestini à numero Versuum nomen sortiuntur, welch sechs und ein halbes Gesetz, und in einem jedern Gesetz sechs reygen haben. Und werden die letzten Wörter des ersten Gesetzes in allen folgenden sechs Gesetzen repetirt, doch alsο, daß sie verwechselt, und niemals wiederumb in dieselbige zeilen, darinn sie zuvor gestanden seyn, reponirt werden.

Exemplum ex Petrarcha.

Sestina 4.

I.

Chì e fermato di menar sua vita.
Su per l'onde fallaci, e per li scogli
Sceuro da morte con un picciol legno:
Non può molto lontan esser dal fine;
Però farebbe da ritrarsi in porto,
Mentre al governo ancor cede la vela.

II.

L'aura soave; a cui governo, e vela
Commisi entrando a l'ammor osa vita
Esperando venire à meglior porto?
Poi mi conduisè in piu di millé scogli
E la cagion del mio doglioso fine
Non piu d'intorno havea, ma dentro allegno

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III.

Chiuso gran tempo in questo cieco legno
E'rrai senza levar occhio a la vela,
Ch'anzi'l mio di mi transportavana al fine
Poi piacque a lui, che mi pordusse in vita
Chiamarmi tanto indietro da gli scogli
Ch'almen da lunge m'apparisse il porto,

IV.

Come lume di notte in alcun porto
Vide mai d'alto mar nave ne legno,
Se non glie'l tolse o tempestate, o scogli;
Cosi di su da la gonfiata vela
Vid'io le nsegne di quell'altra vita
Et allor sospirai verso'l mio fine.

V.

Non perch'io sia securo ancor del fine
Che volendo col giorno essere a porto
E gran viaggio in cosi poca vita;
Poi temo, che mi veggio in fragil legno
E piu, ch'i non vorrei, piena la velo
Del vento. che mi pinse in questi scogli.

VI.

S'io esco vivo de dubbioß scogli
Et arrivo il mio eßilio ad un bel fine
Ch'i sarei vago di voltar la vela
E l'ancor gittar in qualche porto:
Se non ch'i ardo, come acceso legno

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Si m'è duro a lassar l'usata vita
Signor de la mia fine, e de la vita,
Prima ch'i siacchi il legno tra li scogli
Drizza a bu on portol'affanata vela.

4. Sonetti.

Ist ein genus Carminis von 14 Versen, haben ihre sonderliche Art in den Reymen, Wie daß aus nachfolgendem Exempel außm Petrarcha zu ersehen.

Sonetto.

Io cantarei d'amor si novamente,
Ch'al sommo cielo il di mille sospiri
Trarrei del petto et mille altri desiri
Raccende rei ne la gelata mente,
Vedrei lo spirto mio cangair sovente
Gli affetti vani, et per pietosi giri
Estendor sue vertu senza martiri
Si come quel, che di suo error si ponte.
Non piu rose vermiglie infra la neve.
Qui corchorei, ne argento, oro, et avorio,
Ma'l ben, che sempre in ciel si specchia et guarda,
Sel'alto Creator nel mio cor breve
Venisse, et io potesse dir, mi glorio
Signor, che piu la gratia tua non tarda.

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Das IV. Capitel.
Von denen Gesängen, so Weltliche possirliche Texte, doch nicht in gewissen Versen haben, Als: Dialogi, Canzoni, Conzonette und Aria.

1. Dialogi.

Was Dialogi seyn, ist einem jeden bekant. Dann Dialogus heist ein Gespräch, als wenn einer dem andern uff beschehene Frage antwortet, und eins umbs ander gleich per Choros umbgewechselt wird. Inmassen dann auch hierher die Echo referiret werden können.

2. Canzoni.
Oder Canzone à la Napolitana.

Der Canzonen seynd zweyerley: Denn 1. etliche, wie auch die vorhergehende Sonetti (Latiné Cantilena, Cantio, quae sunt vocabula generaliora, Gallicé Chanson) sind recht weltliche oder Buhlenliedlein, die man singet. Und dieselbe seynd unterschiedlich bey den Poeten, haben aber nicht gleich viel Gesetze und Reygen, und in denselben auch nicht allezeit gleiche Art, fast wie die Hymni Pyndarici, oder Odæ Horationæ.

Wie allhier zum Exempel außm Patrarcha.

Canzona 17.

Di pensier in pensier, di monte in monte
Mi guida Amor, ch'ogni segnato calle
Provo contrario a la tranquilla vita.
Se'n solitaria piaggia, rivol, o fonte,
Se n'fra duo poggi siede amhrosa vallei
Iui s'acqueta l'alma sbigottita;
E com' Amor l'invita
Hor ride, Hor piagne, hor teme, hor s'assecaro

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E'l volto, che lei segue, ou'ella il mena.
Si turba, e rasserena,
Et in un esser, picciol tempo dura;
Onde a la vista, huom di tal vita esperto
Diria; questi arde, e di suo stato è incerto.

2. Seynd auch etliche ohne Text mit kurtzen Fugen, und artigen Fantasien uff 4, 5, 6, 8, et cetera Stimmen componirt, Dahinten an die erste Fuga von fοrnen meistentheils repetirt und darmit beschlossen wird, Welche auch Canzonen und Canzoni genennet werden. Wie dann sοlcher Art gar viel und schöne Canzonen in Italia, bevorab des Johan Gabrielis mit wenig und viel Stimmen publicirt werden.

3. Canzonette.

Ist das Diminutivum, und seynd auch kurtze Liedlein oder Meistergesänge, doch allezeit mit weltlichen Texten. Die Canzoni aber haben bißweilen auch geistliche Text, und alsdann werden sie genennet Canzoni Spirituali. Und in diesen Canzonetten wird meisten theils die erste und letzte Reye repetirt, die mittelste aber nicht.

4. Aria vel Air.

Ist eine hübsche Weise oder Melodey, welche einer aus seinem eignen Kopffe also singet. Sind bey uns auch Deutsche weltliche Lieder mit schönen zierlichen Texten. Und solche und dergleichen schöne Arien nennen die Itali jetzunder Schertzi.

Das V. Capitel.
Von den Gesängen, Welche aus mancherley Stücken zusammnen gesetzet seyn, Als: Messanza und Quotlibet.

Messanza seu Mistichanza. Ist ein Quotlibet oder Mixtur von allerley Kräutern, una salta de Mistichanza. Wird sonsten in gemein ein Quotlibet genennet. Do nemlich aus vielen unnd mancherley Motetten, Madrigalien, und andern deutschen weltlichen, auch possirlichen Liedern eine halbe oder gantze zeile Text mit den Melodeyen und Notten, so darzu und darüber gesetzt seyn, herausser genοmmen, und aus vielen stücklin und fläcklein gleichsam ein gantzer Peltz zusammen gesticket und geflicket wird.


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Es seynd aber derselben Quotlibeten dreyerley Arten.

  • Etliche haben in einer jedern Stimme einen besondern unnd vollkommennen Text. Wie dann eins, so mir sehr wol gefellt, gefunden wird, da in einer Stimme Erhalt uns Herr, In der andern Ach Gott vom Himmel, In der dritten Vater unser im Himmelreich, In der vierdten Wir gleuben, In der fünfften Durch Adams Fall gantz durchgeführet werden. Αutore Iohanne Göldelio.
  • Etliche haben zwar in einer jeden Stimm einen besondern Text, aber gar zerstümmelt und zerbrochen, Wie des Nicolai Zangii Quotlibet.
  • Etliche haben in allen Stimmen einerley Text, welcher aber auch unvollkommen und abrumpirt, und bald ein ander darauff erwischet wird, Wie in Melchioris Francken Quotlibeten Und in den beyden Messanzen, Mirani a 5 und Nascela pena a 6 zu ersehen.
  • Das VI. Capitel.
    Von den Gesängen, Welche in Grassaten und Mummerien gebraucht werden, Als: Giustiniani, Serenata und Balletti.

    1. Giustiniani.

    Sind etliche Buhlenliedlein (rudis et levis Musica à q́uodam appelata) meistlich mit dreyen Stimmen, in der Sprach de Bergamasca, von einer edlen Curtisan auß der Stadt Bergama.

    2. Serenata.

    Ist ein Abendsgesang mit dreyen oder mehr Stimmen, Wenn man des Abends uff der Gassen spatziren, oder Gassaten gehet, und wie es uff Universiteten genennet wird, den Jungfern ein Ständichen oder Hoferecht macht, und die Ritornello dazwischen musicirt werden. Davon weiter im 1. Capitel des dritten Theils.

    3. Balli, vel Balletti.

    Deren seynd zweyerley Art:

    1. Erstlich seynd sonderliche Gesänge, die am Reyen und zum Tantz gesungen,


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    (denn Ballare heist Saltare, das ist, Tantzen) derer Art etliche gar liebliche und anmutige Balleten vom Iacobo Gastoldo, und Thoma Morleo publicirt gefunden werden.

    2. Der andern Art Balli oder Ballette seynd, welche keinen Text haben. Und wenn dieselbigen mit Schallmeyen oder Pfeiffen zum tantze gespielet werden, so heist es stampita. Im Frantzösischen nennet man es un Ball, das seynd allerley Täntze in genere, als Bransle, Courranten, Volten, Gagliarden, et cetera. Ballet aber sein sonderliche Täntze zu Mummereyen und Uffzügen gemacht, welche zur Mascarada gespielet werden. Dieselbe werden uff ihre sonderliche Inventiones gerichtet, unnd hat ein jedes Ballet gemeiniglich drey theil. 1. Die Intrada, wenn die Personen in der Mummerey zum eingang erscheinen. 2. Die Figuren, welche die vermascarirten Personen im stehen, tretten, auch umbwechßlung der örther, und sonsten uff Buchstaben in eim Ringe, Crantze, Triangel, Vierecken, Sechsecket, oder andere Sachen formieren, und sich durch einander winden, darauff dann die gantze Invention und Essentia des Ballets bestehet und gerichtet ist. 3. Die Retrajecte, das ist der abzug oder abtritt, damit die Invention, unnd gantz Ballet geendet unnd beschlossen wird, und werden dieselbe hernacher nicht mehr gebraucht, sondern hören zugleich mit der Mascarada aüff. Doch seynd sie, als ein ander lieblicher Gesang, in der Music nach wie vor mit Instrumenten zu gebrauchen, nicht undienlich. Wie dann derselben Exempeln, nebenst andern allerley Frantzösischen Täntzen und Liedern, als Branslen, Couranten und dergleichen in meiner Terpsichore gnugsam zu finden, daselbst dann auch hiervon mit mehrern gesagt worden.

    Exemplum ex Petrarcha.

    Balletto 6.

    Di tempo in tempo mi si fa men dura
    L'angelica figura, e'l dolce riso,
    E l'aria del bel viso
    E de gli occhi leggiardi meno oscura.
    Che fanno meco homai questi sospiri:
    Che nascean di dolore;
    E monstravan di fore.

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    La mia angosciosa, è disperata vita
    S'aven ch'el volto in quella parte giri
    Per acquetar il core;
    Parmi veder Amore
    Mantener mia ragion, e darmi aita;
    Ne pero trovo ancor guerra finita,
    Ne tranquillo ogni stato del cor mio.
    Che piu m'arde' Ldesio
    Quanto piu la speranza m'assecura.

    Das VII. Capitel.
    Von denen Gesängen, Welche von den Arbeitern und Bawrsleuten gesungen werden, Als: Vinette, Giardiniero und Villanelle.

    1. Vinette.

    Vinette oder Vinate ist ein Liedlein eines Weinmeisters oder Wintzers, so in Weinbergen arbeiten. Dan Vinetto heist ein Wintzer oder Weinmeister, Vinette aber vinum cibarium ignobile. Vinate seynd drinck-Gesänge, oder wenn ichs recht tituliren sol, Saufflieder, welche in Deutschland bey uns nicht seltzam noch ungebräuchlich. Und halt ich darfür, daß keine Eittelkeit oder Nichtigkeit in der Welt, darauff nicht etwa ein Music gerichtet oder gefunden sey.

    2. Giardiniero.

    Gardiniero ist eines Gärtners Lied, wie die, solche bey ihrer Arbeit im Garten singen. Denn Giardiniero heist ein Gärtner, Gardino ein Garten, oder Baumgartten.

    3. Villanellen, Villages.

    Villanellen haben den Namen à Villa, das ist ein Dοrff, und Villano, ein Bawer, Item Villanello, daß diminutivum, welchs so viel ist, als subrusticus,


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    Inde Vilanella, Ein Bawrliedlein, welche die Bawren und gemeine Handwercksleute singen. Daher dann auch die Componisten offt mit sonderm fleiß ein 4 oder 5 Quinten, gleichwol aber gar selten hinder einander her setzen, contra regulas Musicorum, Gleich wie die Bawren nach der Kunst nicht singen, sondern nach dem es ihnen einfellet. Und ist eine Bäwrisch Music zu einer Bäwrischen Matery. Etliche solche Gesänger werden auch genennt Villotta, Vilatella, dadurch sonsten ein klein Dörfflein verstanden wird. Sonsten werden in Franckreich die Bawren Täntze, welche von den Bawren selbsten inventirt, und mit Schallmeyen auch Geigen, da offt zwo, drey und mehr Personen zu einer Stimm gebraucht werden, mit dem Namen Villages genennet. Und biß hieher von den Gesängen, so Texte haben. Folgen nun die ohne Texte.

    Das VIII. Capitel.
    Von den Præludiis vor sich selbst, Als da sind, Phantasien, Fugen, Simphonien und Sonaten.

    1. Fantasia, rectiùs Phantasia, Capriccio.

    Capriccio seu Phantasia subitanea. Wenn einer nach seinem eignem plesier und gefallen eine Fugam zu tractiren vor sich nimpt, darinnen aber nicht lange immoriret, sondern bald in eine andere fugam, wie es ihme in Sinn kömpt, einfället. Denn weil ebener massen, wie in den rechten Fugen kein Text darunter gelegt werden darff, so ist man auch nicht an die Wörter gebunden, man mache viel oder wenig, man digredire, addire, detrahire, kehre unnd wende wie man wolle. Und kan einer in solchen Fantasien und Capriccien seine Kunst und artificium eben so wol sehen lassen. Sintemal er sich alles dessen, was in der Music tollerabile ist, mit bindungen der Discordanten, proportionibus, et cetera. ohn einigs bedencken gebrauchen darff, Doch daß er den Modum und die Ariam nicht gar zu sehr uberschreite, sondern in terminis bleibe. Darvon an eim andern Ort, geliebts Gott, mit mehrerm sol gesagt werden.

    2. Fuga, Ricercar.

    Fugæ nihil aliud sunt, ut ait Abbas Dominus Joannes Nucius, quàm ejusdem thematis per distinctos locos crebræ resultationes Pausarum interventu sibi succedentes. Dictæ sunt autem à fugando, quia vox vocem fugat, idem melos de promendo. Italis vocantur Ricercari. Ricercare enim idem est, quod investigare, quærere, exquirere, mit fleiß erforschen, unnd


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    nachsuchen. Dieweil in tractirung einer guten Fugen mit sonderbahrem fleiß unnd nachdencken aus allen winckeln zusammen gesucht werden muß, wie unnd uff mancherley Art und weise dieselbe in einander gefügt, geflochten, duplirt, per directum et indirectum seu contrarium, ordentlich, künstlich und anmuthig zusammen gebracht, und biß zum ende hinaus geführt werden könne. Nam ex hac figura omnium maximè Musicum ingenium æstimandum est, si pro certa Modorum natura aptas Fugas eruere, atque erutas bona et laudabili cohærentia ritè jungere noverit.

    3. Sinfonia, rectiùs vero Symphonia.

    Sinfonia, wie droben angezeigt worden, wird von den Italiänern dahin verstanden, wenn ein feiner vollständiger Concentus, in Manier einer Toccaten, Pavanen, Galliarden oder andern dergleichen Harmony mit 4, 5, 6 oder mehr Stimmen, allein uff Instrumenten ohn einige Vocalstimmen zu gebrauchen, componirt wird. Dergleichen Art von ihnen bißweilen im anfang (gleich als ein Præambulum uff der Orgel, auch offt im mittel der ConcertGesängen per Choros adhibirt und gebraucht wird. Wie im 8. Capitel des dritten Theils dieses Tomi Tertii mit mehrerm, auch was unterm Wort Ripieni, Ritornello, et cetera. zu verstehen sey, zu befinden seyn wird.

    4. Sonata, Sonada.

    Sonata à sonando, wird also genennet, daß es nicht mit Menschen Stimmen, sondern allein mit Instrumenten, wie die Canzonen, musicirt wird. Derer Art gar schöne in Johannes Gabrielis und andern Autoren Canzionibus und Symphoniis zu finden seyn. Es ist aber meines erachtens dieses der unterscheyd, Daß die Sonaten gar gravitetisch und prächtig uff Motetten Art gesetzt seynd, Die Canzonen aber mit vielen schwartzen Notten frisch, frölich unnd geschwinde hindurch passiren.

    Daß auch mit dem Wort Sonata oder Sonada der Trommeter zu Tisch- und Tantzblasen genennet werde, ist im 8. Capitel des dritten Theils dieses Τomi Τertii mit mehrerm zuvornehmen.

    Das IX. Capitel.
    Von den Præludiis zum Tantze, als Intraden.

    Intrada.

    Intrata (vulgò Intrada) vel Entrata, id est, ingressus vel aditus, ab intran-


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    do, vel introitu, welch man bey grosser Herren Einzug oder Auffzügen im Turnieren und sonsten zu gebrauchen pflegt.

    Das X. Capitel.
    Von den Præludiis zur Motetten oder Madrigalien, als die Toccaten.

    Tocata.

    Tocata, ist als ein Præambulum, oder Præludium, welches ein Organist, wenn er erstlich uff die Orgel, oder Clavicymbalum greifft, ehe er ein Mutet oder Fugen anfehet, aus seinem Kopff vorher fantasirt, mit schlechten entzelen griffen, und Coloraturen, et cetera. Einer aber hat diese, der ander ein andere Art, davon weitlæufftig zu tractiren allhier unnötig, und erachte mich auch zu gering, einem oder dem andern hierinnen etwas fürzuschreiben.

    Und ob ich zwar viel herrliche Tocaten von den vornembsten Italiänischen und Niederländischen Organisten zusammen bracht, auch selbsten nach meiner Einfalt und Wenigkeit etliche darzu gesetzet, in willens dieselbige im druck zu publiciren, So habs ich doch noch zur zeit umb gewisser Ursachen willen nicht zu Werck richten wollen.

    Sie werden aber von den Italis meines erachtens, daher mit Namen Toccata also genennet, weil Toccare heiß tangere, attingere, und Toccato, tactus. So sagen auch die Italiäner Toccate un poco. Das heist, beschlagt das Instrument, oder begreifft die Clavier ein wenig. Daher Toccata ein durchgriff oder begreiffung des Claviers gar wol kan genennet werden.

    Das XI. Capitel.
    Von den Täntzen, so auff gewisse Paß und Tritt gerühret, Als: Padoana, Passamezo und Galliarda.

    I. Paduana.

    Paduana, Italicè Padoana, sol den Namen haben von der Stadt Padua in Italia, daselben, wie etliche meynen, diese Art der Music erst erfunden seyn sol.


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    Galli und Angli nennen es Pavana. Es ist aber Pavane eine Art von bestendiger und gravitetischer Music. Wie denn die Pavanen, wenn sie in eim consort von allerhand lieblichen Instrumenten musicirt werden, ein sonderbahre, anmutige, darneben auch prächtige Harmoniam von sich geben. Ist aber sonsten für nemlich zu gravitetischen Täntzen ordinir und gerichtet. Wird auch in Engelland allezeit zum Tantzen gebraucht, hat meistentheils 3 repetitiones, deren jede 8, 12 oder 16 tact, weniger aber nicht haben muß, wegen der 4 Tritt oder Passuum so darinnen observirt werden müssen. Sie haben nichts sonderlichs von Fugen, bißweilen pflegen sie eine Fug etwas anzufangen, lassen aber bald nach, und beschliessen. Der Tantz aber sο man La pavane, und auch La pavam de Espaigné nennet, kömpt ursprünglich aus Hispanien, Inmassen man sihet, daß er mit sonderlichen, langsamen zierlichen Tritten, und Spanischer gravitet formiret werden muß.

    2. Passamezo.

    Passamezo á passando, transeundo, daß man gar sanfft und allmählich herein tritt, wenn darnach getantzet wird. Italis enim passaæ, est transiré, permeare, decedere et passamento, idem est quod transitio. Und gleich, wie ein Galliard fünff tritt hat, und dahir ein Cincquebass genennet wird, Also hat ein Passamezo kaum halb sο viel Baß, als ein Galliard, quasi dicas mezo passo.

    3. Galliarda.

    Galliarda Italicé Gagliarda, est strenuitas, fortitudo, vigor, in Frantzösischer Sprach Gaillard oder Gaillardise, und heist eine gerade Geschwindigkeit. Alsο, wenn ich einen wol proportionirten geraden Menschen nennen wil, so sage ich von Ihm, c'est un homme bien gaillard. Weil demnach der Gaillard mit geradigkeit unnd guter Disposition mehr, als andere Täntze muß verrichtet werden, als hat er ohne zweiffel den Namen daher bekommen. Es wird aber der Galliard ad tactum in æqualem, et Trochaicum mensurirt, hat auch, wie der Pavan 3 repetiones, deren jede 4, 8 oder 12 tact, weniger aber oder mehr nicht haben muß. Die Italiäner nennens in gemein Saltarelli, dο bißweilen amorosische Texte darunter gesetzt seyn, welche sie in Mascaraden selbst singen, und zugleich tantzen, ob gleich keine Instrumenta darbey vorhanden.

    Das XII. Capitel.
    Von den Täntzen, So nicht auff gewisse Paß und Tritt gerichtet, Als: Bransle, Courante, Volte, Αlemande und Mascharada.

    1. Bransle.

    Bransle ist ein Frantzösischer Tantz. Vielleicht vom Bransler, das heist zu zittern, sich regen, rühren oder bewegen. Es ist aber in diesen Täntzen die Commotion und bewegung nicht so hefftig, wie in den Galliarden und Courranten, sondern gar gelind, allein mit den Knien ohne sprünge. Was aber für unterscheyd in den Branslen und andern Frantzösischen Täntzen gehalten wird, davon ist in der Præfation meiner Terpsichore Musarum Aoniarum weitere meldung geschehen.

    2. Couranten.

    Couranten haben den Namen à Currendo oder Cursitando, weil dieselbe meistentheils mit gewissen abgemessenen Sprüngen auff und nieder, gleich als mit lauffen im Tantzen gebraucht werden.

    3. Volte.

    Volte à Vertendo. Denn Volta, Italicé versura, quæ fit ab oratore, und Volten Gallicé heist umbkehren, Voltare, Vertere, versare daher, daß man sich in diesem Tantze mit einander schwinget und umbkehret, von einer seit zur andern. Und muß die Volta nur halb sο viel, als die Courranten in der repetition haben.

    4. Alemande.

    Alemande heist so viel, als ein deutsches Liedlein oder Täntzlein. Denn Alemagna heist Germania, und un Alemand ein Deutscher. Es ist aber dieser Tantz nicht so fertig und hurtig, sondern etwas schwehrmütiger und langsamer, als der Galliard, Sintemaln keine extraordinariæ motiones darinn gebraucht werden. Haben bißweilen 2, bißweilen 3 repetitiones, deren jede meistentheils nur uff 4 tact gerichtet ist. Und ob wol in den Pavanen auch nur 4 tact oder passus ordinarié seyn müssen, so sind sie doch gegen dem Alemande in dupla prοportione. Als daß, wann im Pavan in einer repetition 16 tact oder semibreves vorhanden, so sind im Alemande nur halb so viel, nemlich 8 tact in notis Minimis.


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    5. Mascherada.

    Mascharato, Italis Personata, Maschara, persona et Mashera, Latiné Larva, seu facies personata vel Larvata, ist uff deutsch ein Mummerey, wenn ihrer etliche mit Larven und Kleidern sich vermummen, und also in Pancketen, und fürnehmer Personen Collationibus mit einer Music erscheinen. Und wird auch derselbige Gesang und Musica daher Mascherata oder Maschara genant. Welche Gesänge, ob sie gleich ihre sonderliche Melodiam haben und gewisse Täntze seyn, werden sie doch allezeit in Mummerey Kleidern, und in Maschen, oder wie man es nennet, in Larven verrichtet, Und gehöret zu den Balletten, davon oben gesagt worden.

    Und diesen fünfferley Art Täntzen, werden uber diß noch mancherley unterschiedene Namen zugesetzet und gegeben, davon in meiner Musarum Aoniarum Terpsichore mit mehrerm Bericht zu ſinden.

    Ende


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