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Das XI. Capitel.
Distinctio et Denomination Variorum Chororum.
Wie die unterschiedene Chori mit Numeris zu distinguiren und zu unterscheyden seynd.

Allhier muß ich diß auch nicht vorbey gehen, das unterschiedene Modi und Opiniones, Artten und Meynungen die Chor zu unterscheyden, gefunden werden.

1. Etliche fangen unten an zu zehlen, und nehmen den tieffsten Chor, primum Chorum, und also den nechstfolgenden secundum, et cetera. Den höchsten aber, wenn das Concert mit zweyen Choren gesatzt, secundum, womit dreyen, Tertium, Womit vieren, Quartum und so fort an, und dasselbe aus der Ursachen, dieweil der tieffste Chor, als das rechte Fundament zu allererst vorhanden seyn muß, und derowegen billich den vorzug haben solte: Nam nisi quis fundamentum fideliter jecerit, quicquid superstruxerit corruet.

2. Etliche nennen den Chorum, der zum ersten anfänget, primum, quasi primordium cantionis. Der nun diesem folget, secundum und so fort an. Welches aber meines erachtens allein in denen, die gleiche Chor haben, nothwendig also gehalten werden muß.

3. Etliche fangen von oben an, und nennen superiorem Chorum, primum. Den nechstfolgenden, welcher tieffer gesetzt, secundum, und so fort an, also, daß der tieffeste zum aller letzten, in zwey Chörigen, Secundus, In drey Chörigen Tertius,


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In vier Chörigen Quartus Chorus, und so fürter gennet wird. Und diese Ordnung habe ich in allen meinen geringen Compositionibus in acht genommen. Die sehr berühmte und treffliche Musici, als Andreas und Johan Gabriel haben in ihrer ersten Composition fast allezeit, so wol in gleichen, als ungleichen Choren, die andere Art unnd Meynung die Chor zu numeriren observiret, daß sie den Chorum, Welcher anfänget, es sey nu der niedrigste, oder der höchste Primum, unnd wie sie alsdann einander im singen folgen Secundum unnd Tertium nennen. Bißweilen gleichwol sich auch der dritten Art, den höhern Chor primum, et cetera. zu numerieren sich gebrauchen. Welches dann in Johan Gabrieli Operibus sich mehrentheils findet, daß er die dritte Art behalten hat.

Lambertus de Saive hat in seinen newlich außgegangenen sehr berühmten Concerten die erste Art observirt, Paulus Sartorius die ander. Der vortreffliche Contrapunctista und Musicus, Johan Stadelmäyer Ertzhertzogischer Capellmeister zu Gräitz, Alexius Alexander, und die meisten Musici Itali et Germani behalten die dritte Art und Weise, wie ich aus ihren im druck publicirten Sachen nicht anderst observiren kan. Sintemal sie diese Art so gar sehr in acht nehmen, daß sie allzeit auch unter den gleichen Choren, welche einerley Claves signatas haben, den Chor, welcher am meisten in die tieffe gehet, secundum Chorum inscribiren, ob er gleich ohne Pausen zu erst anfängt, und dieser wegen nach der andern Art zu rechnen, gar wol primus Chorus könte genennet werden.

Ob nun zwar hieran so gar groß nicht gelegn, es fange einer von oben oder unten anzuzehlen, So gibt es doch grosse irrung, und kan sich einer, der es nicht gewohnet, so bald nicht darein finden. Es sey dann, daß er nach seiner Art, deren er geübet den Numerum verendere.

In etlichen Autoribus, befindet sich, daß sie in ihren operibus kein unterscheyd halten, sondern die Choros bißweilen nach der andern, bißweilen nach der dritten Art discerniren und nominiren. Were aber meines erachtens besser, daß sie bey einer gewissen unnd eintzigen Art verblieben. Man köndte zwar auch in den zween- und dreyChörichten, den höchsten Chor Superiorem, den nechstfolgenden Medium, den untersten Infimum vel Inferiorem Chorum nennen. Aber weil in den vier- und fünff, und mehr Chörichten man gleichwol der Wörter, Primus, 2. 3. Quartus Chorus, et cetera. nicht embehren kan, So bleibe man lieber, zu vermeydung fernerer irrunge, bey einerley Namen.

So befindet sich auch, daß etliche in Quintum oder Quintam Vocem, den andern Discant, und in Sextum den 2. Tenor, Etliche aber in Quintum den 2. Tenor und in Sextum den 2. Cantus setzen. Ich bleibe aber bey der ersten Meynung.


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Etliche, wenn in eim Concert Gesang von unterschiedenen Choren, in dem einen Chor fünff oder 6 Stimmen gesetzt seyn, so nennen sie die fünffte unnd sechste Stimm Secundum Cantum, Secundum Tenorem, Secundum Bassum primi vel alterius Chori. Mir aber deuchts besser seyn, daß man dafür die Wörter Quintus, Sextus, Septimus gebrauche und behalte.

Daß aber etliche, auch die vornembsten Musici den Basset primi Chori (welcher sonsten Bassus vel Infima vox Superioris Chori genennet wird, und meistlich ein Tenor ist) in die partey des Tenoris setzen, und Infimam vocem Inferioris Chori in des Basses Partey, gefelt mir sehr wol, ist auch recht, und hat seine Justas rationes. Weil es aber in anordenung der Concerten einem Directori Musices, auch wenn man es in die NotenPartitur, oder Buchstaben Tabulatur bringen und absetzen wil, einem Organisten gar viel verwirrung und ungelegenheit machet. So wil ichs eim jeden, den Sachen weiter und ferner nachzudencken anheim gestellet haben, ob nicht meine in hievorigen 9. Capitel gesetzte Meynung richtiger, daß eines jeden Chors Stimme, wie sie mit den Numeris flugs uff einander folgen, also auch in die Parteyen nach derselben Ordnung eingesetzt werden.

Das auch, wenn zwo Stimmen genander uber gesetzt werden müssen, ich allzeit den Cantus und Tenor, den Alt und Baß zusammen bracht, und also die Numeri doselbsten zertheilet, als 1, 3 und 2, 4 et cetera. bey einander gefunden werden. Ist die Ursach, daß ich es nicht allein bey den Musicis meistentheils also gesehen, sondern es auch an ihm selber der Harmony, und Concordantz halben besser ist, daß die Sänger so hart bey einander stehen, und aus einem Parte sehen und musiciren müssen, mit lieblichen Sexten, wie der Cantus und Tenor. Denn auch mit Quinten unnd Octaven, wie der Alt und Baß zusammen concordiren, und nicht mit widerwertigen Quarten, wie der Cantus und Alt, Tenor und Alt, so gemeiniglich miteinander fort gehen, einer dem andern die Ohren fülle, und den gantzen Gesang zuwider. Auch zum singen verdrossen mache, sonderlich, wenn die andern beyde Parteyen nicht gar nahe bey diese geordnet und gestellet werden, daß sie die Harmony vollkommen machen und zur perfection bringen können.

Jedoch wil ich in diesem, wie auch in allen andern, niemand ichtes vorgeschrieben, sondern allein mein einfältiges bedencken, unnd was ich aus eigener Erfahrung gut sein befunden, angedeutet haben. Sintemal ein jeder seine Rationes und Ursachen vor sich selbst wol wissen, und darnach richten wird.


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