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Ripieno.
έπιφώνησις, Conclamatio, Concentus, Plenus Chorus.

Dieses wort brauchen die Italiäner, wenn sie wollen andeuten, daß alle Voces und Instrumenta in allen Choren zugleich miteinander einfallen sollen, auff Teutsch ein vollstimmige Music in allen Choren. Denn Pieno, heist so viel, alß plenum, völlig, Ripieno, repletum, gefüllet. Und ist eben das alß wenn ich die wörter Tutti, Omnes, Plenus chorus, Capella plena, darbey notiret und gezeichnet habe, do dann ein KleinFlöitlin, zur zier mit einzustimmen nicht uneben adjungiret und gebraucht werden kan. So kan man auch, do eine grosse Compagny von Musicis vorhanden, solche Ripieni zwey- oder dreymahl abschreiben lassen, und in unterschiedene weit von einander abgesonderte Chor distribuiren und abtheilen, welches ich dann meistentheils Chorum pro Capella genennet habe. Und ist nicht unanmütig, daß der Organist, wenn die vollstimmige Music einfellet, daß gantze Werck in der Orgel, oder aber, wenn es gegen der gantzen Music etwas zu starck sein wolte, das Principal allein mit der Superoctav und Siflöit oder Zimbelchen, zu den Concertat-Stimmen aber im rückpositiff ein sanfftes gelindes und liebliches gedactes oder ander stilles Flöitwerck gebrauche. Denn die Concertat-Stimmen wollen ein sanfftes, messiges und liebliches singen und klingen haben, der vollstimmige chor aber ein gravitätisch hallen und schallen. Und sind also die Ripieni nichts anders, alß gewisse Clausulæ oder parriculæ aus einem concert, welche in den andern choren zu gewissen zeiten eine vollstimmige Music zu machen, mit den Häupt-Choren gesungen und geklungen wird. Heist derowegen ripieno eigentlich nicht chorus plenus, besondern Reiteratæ plenitudines, die clausulæ, welche aus den Häupt-Stimmen des Concerts genommen, und in andern unterschiedenen abgesonderten Choren auffgesetzet werden, einen volligen und vollstimmige concert zumachen.

Hieronymus Jacobi in Nota ad lectorem wil, daß man den Buchstaben R. bey die Noten zeichnen solle, den anfang des Ripieno zubezeichnen, welches aber leichtlich irrung gibt, sonderlich wenn viel Ripieni auffeinander folgen. Ich habe mir gefallen lassen, solche und der gleichen Wörter zwischen die Noten an denen örtern, do sie einfallen, deutlich darbey zusetzen. Und ist nun meines erachtens unter den wörtern, Synfonia, Ritornel, Ripieno und Intermedio, so im anfang eines Concert-Gesangs adhibirt und gebraucht werden, dieses der unterscheidt:

     
Ritornello, do ohne Text, und also Instrumentis solis  einerley, allzeit mit einem geschwinden Tact reiteriret und repetiret wird.  
Ripieno, mit Text, und also Vocibus et Instrumentis 

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Dahero ich mich bedüncken lasse, daß Ripieno ein vocabulum Compositum sey, quasi dicas, Ritornelle Pieno, ein Ritorno oder Reiteratio, so mit vollem Chor zusammen stimmet, und die Instrumental- mit den Vocal-Stimmen zugleich adjungiret werden. Intermedio, do ohne, oder mit Texten, mit Instrumental- oder Vocal-Stimmen, oder mit beyderley zugleich, in Comœdien zwischen eim jeden Actu, oder in Missen, Magnificat, Moteten, allzeit andere Cantiones und Gesänge interponirt werden. Inmassen in meiner Megalynodia zufinden, und in Polyhymnia VIII, geliebts Gott, deren Art mehr herfürkommen werden. Sinfoniæ, sind gleich den Pavanen und Galliarden, deren man in einem Gesange zum anfang vor dem Ersten Theile, und nach demselben auch vor und nach den andern, auch Dritten Theile, so einer vorhanden, sich gebrauchen kan, an statt, daß sonsten der Organist allzeit vorher und darzwischen ein Præambulum auff der Orgel zuschlagen pflegt. Und dergestalt können die Sinfoniæ auch nicht so gar uneben Inter medio genennet werden. Fortè, Pian, Præsto, Adagío, Lento. Diese Wörter werden bißweilen von den Italis gebraucht, und in den Concerten an vielen unterschiedenen örtern, wegen abwechselung beydes der Stimmen und Choren, darbey oder drunter gezeichnet, welches ich mir dann nicht mißfallen lasse. Ob zwar etliche, das sich dessen, sonderlich in Kirchen zugebrauchen nicht gut sey, vermeinen. So deuchtet mir doch solche variation und umbwechselung, wenn sie fein moderatè und mit einer guten gratia, die affectus zu exprimiren und in den Menschen zu moviren, vorgenommen und zu werck gerichtet wird, nicht allein nicht unlieblich oder unrecht seyn, sondern viel mehr die aures et animos auditorum afficere, und dem Concert eine sonderliche Art und gratiam conciliire. Es erfordert aber solches offtermahls die composition, so wol der Text und Verstand der Wörter an ihm selbsten, daß man bißweilen, nicht aber zu offt oder gar zu viel, den Tact bald geschwind, bald wiederumb langsam führe, auch den Chor bald stille und sanfft, bald starck und frisch resoniren lasse. Wiewol in solchen und dergleichen umbwechselungen, in Kirchen viel mehr, alß vor der Taffel eine moderation zugebrauchen vonnöten sein will. So weis nun aber ein jeder selbsten, was solche Wörter bedeuten, alß Fortè, elatè, clarè, id est, summâ seu intentâ voce, wenn die Instrument und Vocalisten zugleich starck, Pian, submissè, wenn sie die Stimme moderiren und zugleich gar stille intoniren und Musiciren sollen. Sonsten ist Pian so viel, alß placidè, pedetentim, lento gradu, daß man die Stimmen nicht allein messigen, sondern auch langsamer singen solle.


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