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Das III. Capitel.
Capella fidicinum, vel fidicina.

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Wie und uff was massen dieselbe anzuordnen und anzustellen sey.

Diese Capellam habe ich nach meiner Wenigkeit, nicht unnötig zu seyn, sonderlich observiret. Dieweil etlichen unter uns Teutschen, so der jetzigen newen Italiänischen Invention, do man bißweilen nur eine ConcertatStimme allein, zu zeiten zwo oder drey in eine Orgel oder Regal singen lest, noch ungewohnet, diese Art nicht so gar wolgefället, in Meynung, der Gesang gehe gar zu bloß, und habe bey denen, so die Music nicht verstehen, kein sonderlich ansehen oder gratiam. Darumb ich dann uff dieses Mittel bedacht seyn müssen, daß man einen Chorum oder Capellam mit 4 Stimmen darzu setze, welcher entweder mit Posaunen oder Geigen allzeit zu gleich mit einstimmen köndte.

Und dieweil nun solche Harmonia, wenn sie dergestalt in der Kirchen angeordnet, die Ohren etwas mehr füllet, habe ich alsbald applausum popularem dadurch erlanget.

Wie dann auch meines erachtens, gleicher gestalt nicht uber resoniret, wenn zu solchen Concerten mit einer oder 2 ConcertatStimmen (bevorab wenn Voces vivaces et alacriocres gebraucht werden) ein Regal, oder in der Orgel ein SchnarrWerck genommen wird. Denn weil der Organist, wie im 6. Capitel, vom GeneralBaß wird angezeiget werden, gar simpliciter, mit seinen Concordanten und Syncopationibus, ohne einige Diminutiones, und Coloraturen, zu solchen ConcertatStimmen schlagen oder spielen muß, so klinget es uff dem FlöitWerck gar zu schlecht, und unanmutig. Uff dem Regal oder andern SchnarrWercken aber, welche fast den Posaunen gleich resoniren, ist die Harmonia viel anmuthiger, wenn man fein zierlich, gravitetisch und langsam, ohne einige Diminutiones den Gesang tractiret.

Auch ist diß darbey wol zu mercken, 1. Daß ich diese Capellam darumb, Fidiciniam genennet, dieweil es besser ist, mit Besäiteten Instrumenten, als Geigen, Lauten, Harffen und allen andern, und sonderlich mit Violn de Gamba, wo man die haben kan, In mangelung aber derselben, mit Violen de Bracio, dieselbige Capellam zu bestellen. Denn der Sonus und Harmonia der Violen und Geigen continuiret sich immer nach einander mit sonderbahrer Liebligkeit, ohne einige respiration, deren man uff Posaunen und andern blasenden Instrumenten nicht entrathen kan.


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Jedoch pro variatione kan man bißweilen 4 Posaunen, Do denn nicht irret, daß der Cantus in etlichen Octava inferiore uff der Posaune musiciret werde. Oder 3 Posaunen, und eine Tenorfloͤite, oder ein Cornett zum Discant, oder aber einen Fagott, und 3 Flöiten zur umbwechselung darzu gebrauchen.

2. Umb dieser Ursachen willen habe ich in der mitten bißweilen, virgulas unnd strichlin interponiret, damit man zu einem Versiculo Violen, Zum andern, Posaunen, Zum dritten, Flöiten und Fagotten gebrauchen könne. Oder wo Lauttenisten vorhanden seyn, kan man mit Geigen umbwechseln, und dann auch bißweilen die Lauten und Geigen zusammen gehen lassen. Dodann ein Musicis zween oder mehr Chor gar wol draus machen, abschreiben, und nach seinem guten gefallen anordnen kan.

So ist auch sehr anmuthig zu hören, Wenn man diese Capellam Fidiciniam, nach Art der Engelländer mit einem gantzen Consort anstellet, also, daß ein starck Clavicymbel, zwey oder drey Lautten, eine Theorba, Bandoer, Zitter, Baßgeig, Block- oder Querflöit, stille Posaun, Viole de Bastarda, und eine kleine DiscantGeige fein rein und lieblich zusammen gestimmet, miteinander fortgehen. Die ConcertatStimmen aber das ihrige cum grata et decenti harmonia darunter mit einbringen.

3. So habe ich ex observatione auch besser seyn, befunden, daß man dieselbige Cappellam oder Chorum Fidicinium etwas uff die seite, von der Orgel, und denen, so die ConcertatStimmen führen, abgesondert stelle und anordne, damit die Vocalisten von den Instrumentis nicht ubertäubet oder verdunckelt, sondern eins vor dem andern unterschiedlich gehöret und vernommen werden könne, Wie Capitel 8 in der Instruction bey der dritten Art solches sol erinnert werden.

4. Es stehet aber zu eines jeden gefallen, ob er diese Capellam anordnen unnd gebrauchen, oder aber aussen lassen wolle. Denn, wie im anfang erwehnet, mir solche nur ex auditorum quorundam approbatione also zu setzen, gefallen, do ich sonsten derer nicht groß geachtet hette.

5. Und wenn man dergestalt auff alle dieser Art ConcertGesänge, so etwa einem und dem andern in des Lodovico Viadanæ, Agostino Aggazzarii, Antonii Cifræ und dergleichen autorum operibus zum besten gefallen, eine solche Capellam Fidiciniam componiren und uffsetzen wolte, Würde man die Auditores bey uns in Teutschland, welche noch zur zeit in diese newe Art allerdings sich nicht zu richten wissen, damit anlocken, und gleichsam weiter infalciniren, daß sie ein gut genügen und Contentament daran ungezweiffelt haben würden.

6. So kehme auch diese Capella denen Organisten zu nutz, welche im Componiren unnd ungeübt unnd unerfahren, und dahero sich in den GeneralBaß


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so bald im anfang nicht finden können. Sintemal es denselben viel leichter werde, alle Mittelstimmen oder Parteyen (welche sonsten in solchen Concerten nicht verhanden) in ihre Tabulatur abzusetzen, als daß sie allererst lange nachdencken und speculiren müssen, ob sie Quarten und Sexten, oder aber Quinten und Tertien et cetera. greiffen sollen. Darumb ich dann in etlichen diese Capellam auch genennet habe, Capellam pro Organo, Item pro Testudine, Theorba, et cetera.

7. So sol man sich auch nicht irren lassen, daß in dieser Capella die vier Stimmen zu den geigenden oder blasenden Instrumenten, bißweilen in Unisonus und Octaven mit den andern Concertat- oder VocalStimmen zugleich fortgehen. Dieweil solches vorher im XII. Capitel des II. Theils allbereit abgelehnet, und außführlichen dargethan worden, warumm die Unisoni durchaus, die Octaven aber, wenn eine Stimme gesungen, die ander mit Instrumenten, als Posaunen, Zincken oder Geigen gemacht wird, gantz und gar wol passiren können. Zu dem wird keiner, der sich in Fürstlichen und andern Capellen versucht, etwas gehört und gesehen, wie dann auch andere Musici in Städten, wenn sie bedencken und betrachten, daß sie selbst uff ihrem Chor einen Stadt oder KunstPfeiffer mit einem Cornett oder Posaun bey die Schüler stellen, welche zugleich in Unisono und in Octaven mit einander intoniren und einstimmen, sich dieses nicht so gar sehr mißfallen lassen.

Darmit sich aber unter den vielen unterschiedenen Namen, ein Musicus nicht verirren und verwirren, So habe ich sie meistentheils, so viel mir bekant seyn, allhier unter einander setzen wollen, auff daß alsobald primo intuitu ein jeder sehen und begreiffen könne, welches Synonima seynd, und einerley Bedeutung haben.

    
Voces humanæ.   Instrumento.   Ripieni.  
MenschenStimmenVoceVoces solæVoces recitativæVoces ConcertatæConcertatStimmenChorus reciatitivusChorus VocalisChorus VocumCapellaCapella VocalisVocalStimmen  Chorus InstrumentalisChorus InstrumentorumCapella InstrumentalisChorus SinfoniæSymphonia  TuttiOmnesOmnes, Vocibus et InstrumentisChorusPlenus ChorusChorus pro CapellaChorus CapellæChorus Instrumentalis et vocalisCapella in pleno ChoroCapella in Choro  

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VocalesCantoresConcentoresViva Voce  Capella vocalis et Instrumentalis 

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