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Vom Organisten.

Den Organisten betreffend, So sind bey demselben zweene hochnötige Punct und Stück mit allem fleiß in acht zu nehmen. Als 1. Was er für Eigenschafften an sich haben muß. 2. Zum andern, wie und welcher gestalt er ein jeden Gesang oder Concert schlagen, tractiren und führen solle.

Das I. Stück.
Was ein Organist vor Eigenschafften an sich haben solle.

Ein Organist, der aus einem GeneralBaß schlagen wil, muß dreyerley Eigenschafften und requisita an sich haben.

1. Muß er den Contrapunct verstehen, oder ja zum wenigsten perfect singen,


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Auch die Proportiones und Tact oder Mensur recht erkennen, und wissen durch alle Claves, die bösen in güte zu resolviren, auch die Tertias und Sextas majores und Minores, recht zu unterscheiden, unnd dergleichen dinge mehr in acht zu nehmen.

2. Muß er die Partitur oder Noten Tabulatur wol verstehen, und uff den Clavibus, Tastaturen oder Griffen am Kragen seines Instrumentes, Es sey nu eine Orgel, RegalWerck, Laute, Theorba oder dergleichen FundamentInstrument, eine große ubung habe, damit er nicht die Consonantias zusammen betteln, und die (le botte) Schläge oder Griffe, zu dem was man singet, allererst suchen, unnd darauff speculiren müsse. Weil er weiß, daß alsdann das Auge allezeit uff das Buch, und die Motett, Concert, Madrigal oder Canzon, so er für sich hat, gerichtet und gewand seyn muß, und darumb uff das Clavier, Tastatur oder Griff seiner Orgel, Instruments oder Lauten gar selten und wenig achtung geben kann.

Michaelis Praetorii Creuzburgensis Dieweil aber die meisten Organisten in Deutschland, der deutschen Buchstaben Tabulatur (welche an ihme selbsten richtig, gut, leicht und bequemer ist, nicht allein daraus zu schlagen, sondern auch daruff zu Componiren) sich gebrauchen, und ihnen sehr schwehr fürfallen wolte, von newen zu der Noten Tabulatur oder Partitur sich zu gewehnen, So ist es wol zum besten gerathen, daß sie im anfang die Concert und Gesänge ganz und gar in ihre gewöhnliche Buchstaben Tabulatur absetzen, und sich darinnen notdürftig ersehen, wie es allerseits mit dem GeneralBaß uberein komme, ob sie darnechst durch fleissige aufmerck- und übung sich zu solchem GeneralBaß auch gewehnen köndten.

Agostino Agazzari 3. So muß er ein gut und Subtil Ohr und Gehör haben, damit er im zusammen stimmen, wenn der Gesang mit einander fortgehet, dem Concentori, das ist, deme der die ConcertatStimmen singet, nach und zuzugeben wisse. Nun ist es aber unmüglich, einige gewisse Regel zusetzen und zugeben, wie und welcher gestalt die Cantiones und Stöcke (wie wir es im Teutschen nennen) zuschlagen seyn, wo nicht etliche signa dabey oder drüber gezeichnet werden, welches Augustinus Aggazzarius zwar bekennen muß, gleichwohl aber in allen nicht in acht nimpt.

Michaelis Praetorii Creuzburgensis Und obwohl Lodovico Viadana in seiner ersten Praefation vermeynet, daß es nicht nötig sey, die signa zu adhibiren, so befindet sichs doch nun mehr, nicht allein in etlichen anderer vortrefflichen und fast der meisten Italiänischen Componisten GeneralBässen, welche dergleichen Art Concerten mit einer, zween und mehr Stimmen heuffig, sehr schön unnd lieblich im druck herfürkommen und außgehen lassen. Sondern es ist auch zum höchsten von nöten, daß sie sich der Signaturen und Ziffern gebrauchen. Agostino Agazzari In betrachtung, Weil man jedesmal des Compo-


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nisten seinen Intent, Sinn und Composition nothwendig folgen muß. Und aber dem Componisten freystehet, daß er seines gefallens auff eine note eine Quint oder Sext, Terz oder Quart, Ja auch in den Syncopationibus eine Septimam, Secundam et cetera. Item sextam und tertiam majorem oder minorem (nach dem es ihme bequemlicher und besser deuchtet, oder es die Wort und der Text erfoddert) setzen kan.

Michaelis Praetorii Creuzburgensis Es ist aber unmüglich, daß auch der beste Componist alsobald wissen oder errathen könne, was vor Species von Concordanten oder Discordanten der Autor oder Componist gebraucht habe.

Darumb zum höchsten von nöthen, nicht allein vor ungeübte, sondern auch vor wolgeübte und erfahrene Organisten und FundamentInstrumentisten, die Signa und Numeros uber die Noten zuzeichnen.

Und kömpt mir gleich jetzo, do ich diß Werck dem Buchdrucker ubergebe, aus Italia eine Praefation des Bernhardi Strozzi in tertio libro, Affetuosi Concerti Ecclesiastici, das ist, anmutige Geistliche ConcertGesänge intituliret, gleich als gewünschet zu handen, darinnen er unter andern eben diese meine Meynung approbiret. Und ich dieselbe allhier mit einzusetzen, nicht undienlich erachtet habe.

Es lauten aber seine Wort aus dem Welschen ins deutsche versetzet also:

Dieweil ich vielmal befinde, daß in etlichen Bassis continuis, oder GeneralBässen der Concerten und andern Gesängen, keine signatura Numerorum die Quartas, Septimas, Nonas, oder dergleichen dissonantias, oder auch die Consonatias, als Sextas majores und minores, desgleichen Tertias majores und minores zu bezeichnen, oben drüber gesetzt werde. So kan ich nicht unterlassen, klärlich darzu thun und zu probiren, daß solche Numeri gäntzlich und zum höchsten von nöthen seyn, es mögen auch andere sagen was sie wollen. Sintemal kein Organist die Gedanken des Componisten wissen oder errathen kann. Denn wann der Organist würde gedencken, Es habe der Componist an einem Ort eine Quintam gesetzt, so kann es wol eine Sexta seyn, und also sage ich auch von den andern Consonatien und Dissonatien, daß, wenn er also nach seinen Gedancken eine Quintam schlägt, und der Senger singet eine Sextam, lasse ich ein jederes reines und sauberes Ohr betrachten, was vor eine Liebligkeit der Gesang alsdenn von sich geben werde. Denn es stehet einem jeden frey auff seyne Art und weise etwas zumachen und zusetzen, wenn es nur dem Ohr und Gehör eine anmuthige Melodiam gibt, welches denn finis Musicaæ der rechte Zweck und Ziel der ganzen Music ist.


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Nun sagen etliche, daß das Ohr oder Gehör nach seinem gefallen sol erlustiget werden, und man die Finger, nach dem man höret, bewegen solle. Denen aber antworte ich, daß solches keyne gute Consequentz sey. Denn wann das Clavier gerühret ist, so gibt es alsbald eine Stimm und Sonum von sich, und wann man schon den Finger geschwind wieder hinweg thun wolte, so hat es seyn Ampt schon verrichtet, und man hat die Dissonantien gehöret.

Darnach sagen etliche, daß der Organist auf die Manier und Weise mit dem Ohr oder Gehör allezeit uff den Singer achtung geben solle.

Responsum. Wenn er nun taub were, oder nicht wol hören köndte, und allezeit in der Furcht seyn müste, daß er nicht eine Quint anstatt der Sext machte, oder ein Tertz anstatt der Quart, so würde er in solcher Furcht gar wenig auff seinen Continuierten Baß achtung geben können, und vielmals, in dem er die Sextas und Septimas welche er höret, suchet, wird er die Noten uberhüpffen, unnd aus der Saat und aus dem Stegereif kommen, welches sich nicht begeben würde, wenn er die Concordantien und discordantien mit numeris vor sich wird gezeichnet sehen, do er dann desto leichtlicher die Finger hin und wieder richtiger weise bewegen kan. Und dieweil sich so grosse difficultet befindet, in dem man nur mit einer Stimm in die Orgel singet, so stelle ich eim andern zu bedencken anheim, wie viel schwehrer dieselbe seyn würde, in dem man mit 2, 3, 4 oder 5 Stimmen darzu singen würde. Do dann wol von nöthen, daß die Organisten die Marchianischen Eselen gleich weren, welche, wie Paulus Fiviranus erzehlet, drey Ohren haben, damit die also einem jederm Cantori eines zurecketen, zu hören, was er vor ein Consonantien machete. Und das were doch noch nicht genug.

Denn ich auch von vornembsten Organisten, so man heute zu tage findet, die auch nicht viel von diesen Signaturen hielten, gehöret habe, daß sie Sonando, im Schlagen wol taussenterley Dissonantien gemacht haben, dieweil sie auff dieselbige nicht achtung geben wollen, und wann sie dann den Irrthumb von sich selbsten gehöret, haben sie geschwinde angefangen zu diminuiren und coloriren, biß so lang die furia vorüber gangen, dadurch sie offtmals die diminutiones und coloraturen des Sengers confundiren.

Andere aber, wenn sie einen Argwohn eines ungewöhnlichen Passes oder Griffes gehabt, haben sie drey oder vier Octaven uff dem Clavier gemacht, darmit man es nicht so sehr mercken solte. Welches aber nicht allein unlieblich zu hören, sondern auch ein Irrthumb ist, in dem man so viel Octaven auch in saltu im springen auff der Orgel macht, welches dann ein thun ist unerfahrner Weiber.

Und bedarffs nun gar nicht, daß ich wiederhole, daß diese Signatur und auff-


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zeichnung der Numeren und Zahlen dahin gemeynet were, als wenn man den Organisten so ungeschickt und unverständig halten wolte, gleich ob er nicht wisse, was er machen solte. Darauff antworte ich, Daß ohne diese Numeros oder Zahlen, man ihn vielmehr vor einen Narren halten wolte, welcher Eigenschafft unter andern ist, daß sie tausenterley Stockerey und Thorheit erachten müssen, und also, wann sich der Organist unterstehet des Componisten Cervel Sinn unnd Gedancken zu erachten, und vorher zu wissen, so wird er von einem Rauch (tuffo) ungeschickt, dehmisch, und zum schönen Pivion, daß ist, zum Coglion werden. Daher man geschwind spricht, ist der Organist närrisch, und weiß nicht wo er den Kopf hat. Welches denn billich einen zum mitleiden bewegen solte, daß ein solcher armer, und hülffloßgelassener Organist also blindeling, und nach geduncken schlagen und spielen muß.

Die Tabulatur aller Parteyen ist zwar vor dieser Zeit erfunden worden, daß man sie solte recht schlagen, wie sie abgesetzt stünde, und war gar wol gethan, und wer sie recht verstehet, und extempore daraus wol schlagen kann, der folge ihr auffs beste er immer kann. Aber dieweil es gar ein gar schwehr ding ist, und auch langweilig, dieselbe recht secur zuschlagen, und die Menschen so sie erfunden und gelehret waren, zuvor gestorben, oder auffs wenigste gar alt ist, so wer es von nöthen, nach dem das Alter mangelt, sich der mühe auch zu uberheben. Damit man aber in einem Concert ohne solche weitläufftigkeit und difficultet alsobald zugleich mit einschlagen könte, so ward der Bassus Continuus, welcher denn eine schöne Consonantiam und Harmoniam machet, erfunden.

Dieweil aber ihrer etliche vermercketen und erkanten, daß man viel dissonantien hörete, wenn man solchen Baß also schlecht unnd simpliciter hinweg machte, dieweil die Musicalische Regeln ein jeder nach seiner Art, Capriccio inclination und gutdüncken anzeucht, so war es hochnötig solche mittel zu erfinden, dadurch man denselben recht justamente, und also, daß keine errores gehört würden, schlagen köndte, und so viel, als immer müglich nach der Composition des Autoris richtete. Welches dann anderer gestalt und leichterer nicht geschehen können, als durch diß mittel der Numern oder Zahlen, durch welche auch ein jedweder kleiner Knab, wenn er sich dieselben auch nur ein wenig bekant gemacht, den Gesang so recht und gut ohne dissonantien schlagen und tractiren wird, als wenn er aus der vollkommenen Tabulatur schlüge.

Wie ich dann etliche gehört, auch in effectu probiret, daß sie die Motetten des Palestrini (welche, wie jederman wol weiß, gar trefflich nach den Regulen formiret, fugiret, und in Summa mit schönen Ligaturen unnd Syncopa-


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tionibus vermenget und intriciret seynd) mit hülff und zuthun solcher Signatur der Numerorum dergestalt tractiret und geschlagen haben, daß sie den Zuhörern nicht anders vorkommen, als wenn sie alle in der vollkommenen Tabulatur gesetzet weren, dieweil sie keine dissonantien im schlagen gehöret haben.

Und wer doch wissen will, ob in einer Cadenz die Quarta oder Tertia, oder die Tertia gar allein sey, oder aber die Tertia, Quarta und Tertia, dieweil solche einem jedweden nach seinem gefallen zusetzen und zu machen ad placitum, frey stehet? Es versuche aber der Organist ein wenig zu schlagen die Quartam und Tertiam, wenn der Singer die Tertiam, Quartam und Tertiam, oder aber die Tertiam allein vor sich hat, als wie in den Vespern des Vincenzii Ruffi unterschiedlich zu sehen, und wisse mir hernach zu sagen, was es den Zuhörern vor eine anmutige melodey geben wird? Was ich nu von dem Cadenzen sage, das sage ich auch von allen Ligaturen und Syncopationibus. Jedoch wil ich es dahin nicht verstanden haben, daß man die Signa uber alle Noten zeichnen solle, wie im Giovanni Baptista Trabaci zusehen, dieweil man dergestalt den Organisten gar zu sehr confundirte. Sondern etzliche unbekante Noten, so sich nicht allezeit vorfallen, und die der Mensch nicht in der eile errathen oder ersinnen kan, müssen nothwendig signiret und gezeichnet werden. Hactenus ille.

Wie aber und welcher Gestalt solche Signatur geschehe, und in acht genommen werden muß, muß allhier zu erinnern nicht vergessen werden.

1. Uber die Notten im Baß werden die Consonantiæ und Dissonantiæ, welche der Componist und Autor darzu appliciret hat, mit Numeris und Ziffern gezeichnet. Als wenn zu dem ersten Theil einer Noten Semibrevi image die erste Minima image in der Quint drüber, zum andern Theil aber derselben image die ander image in der Sext drüber appliciret und gesetzt seyn. So müssen die Numeri 5, 6 also neben einander oben uber dieselbe Notam gesetzt und gezeichnet werden.

Ebener massen wird es auch mit der 7, 4, 3 und Secundæ gehalten, wenn sich der Componist derselben gebraucht hat, als im nachgesetzten Exempel zu sehen.


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Midi MEI

Dieses wird nun mit den Signis und Numeris uber den GeneralBaß also notiret.


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Etliche, welche alles gar genaw in acht nehmen wollen, setzen die gantze Distantiam der Concordanten mit ihren Numeris, so weit als denn die Noten in einer Decima, 11, 12, 13 et cetera von einander seyn, darüber. Welches dann allhier im Alt auch gar wol hette geschehen können, daß man es also gesetzet:


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Weil es aber gar zu weitläufftig, und das Werck nur schwehrer machet, so wil es wol zum besten seyn, daß man die einfache Numeros behalte. Do dann ein Organist selbsten mit gutem Gehör und grossem fleiß achtung daruff geben muß, ob es besser seyn wolle unten in der Tertia, Quart, Quint, zu verbleiben, oder oben die Octaven drüber als die 10, 11, 12 et cetera zu gebrauchen.

Bißweilen geschichts auch, daß zu einer Noten wol drey oder vielerley unterschiedliche Concordanten gesetzt seyn. Als denn solten denn auch wol so viel Numeri darüber gezeichnet werden, Als nachfolgendes Exempel außweiset. Welches aber gar selten in acht genommen wird. Dieweil sich die Drucker auch beschweren, so viel Numeros uber einander zu setzen.


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Agostino Agazzari 2. Alle Consonantiae seynd entweder von der Natur desselben Toni, in welchem der Gesang oder Concert gesetzt ist, und dieselbe werden nicht gezeichnet. Oder werden per Accidens, züfälliger weise (das ist, daß sie nicht desselben, sondern eines andern Toni seyn) mit eingemenget, und dieselben müssen darüber gezeichnet werden. Als, wenn der Gesang an ihm selbsten image dur ist, so darf die Tertia major, so naturaliter im image dur ohne das nothwendig zum G gebraucht werden muß, nicht darüber gezeichnet seyn. Wenn aber etwa der Componist, wie zu zeiten geschicht, eine Tertia minorem zum G gesetzet hette, so muß dieselbe mit dem image darüber gezeichnet werden, In betrachtung sie accidentaliter darzu kömpt, und eigendlich naturaliter im Cantu image duro zum G nicht kan gebraucht werden. Hinwiederumb aber in Cantu Bmolli ist die Tertia minor naturaliter allezeit verhanden, wenn aber die Tertia major adhibiret sol werden, muß man es mit der Diesi, oder wie es sonsten genennet wird, B Cancellato image darüber notiren, weil sie allhier per accidens darzu kömpt. Und gleicher gestalt muß es auch mit den Sexten gehalten werden, wie hernach gesetzt ist.


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Nota. Wenn die Diesis image an der seiten, oder unter der Noten stehet, so endert und bezeichnet sie dieselbe Notam, bey der sie gefunden wird. Wenn es aber oben uber der Noten stehet, so bedeutet es die Consonantiam, als nemblich die Tertiam oder sextam majorem, welche zu derselben Noten sol tangirt und gegriffen werden.

Michaelis Praetorii Creuzburgensis Und dieweil fast allzeit (außgenommen in Cantu ficto) zu der Noten, bey welcher im GeneralBaß die Diesis image uff der seiten bezeichnet befunden wird, so wol auch im Cantu bmolli zu der Noten mi, eine Sexta minor zur Consonantia gebraucht werden muß. So vermeynen etliche nicht so gar nötig zu sein, daß man den Numerum 6 oben drüber setzen, dieweil sich solches ohne das anders nicht schicken wil, wie im vorigen Exempel an der sechsten Noten, und exemplo Bmollari zu befinden ist.


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Und weil ich diese opinion auch gleich in vorgedachter Bernhardi Strozzi praefatione finde, habe ich dieselbe auch mit hierein setzen wollen, und lauten seine Wort also:

Es ist gar unnötig, daß man die Sextam, so im Bmolli uff die Notam mi kommen, oben drüber zeichne, dieweil sich solches daher (daß, wenn man eine Quintam darzu greiffen wolte, eine falsche Quinta sich hören lassen würde) ohne das verstehet, und es die Natur gibt und erfordert. Wenn aber der Componist eine Quintam mit fleiß darzu gesetzt hette, so ist es nötig, daß dieselbe Quinta also image mit dem Semitonio darüber gezeichnet werde, darmit nicht der Organist, in dem er die Sextam natürlicher und ordentlicher weise greiffen thete, eine unerträgliche dissonantiam errege.

Und ob man zwar auch in signatione und verzeichnung der Sextarum majorum und minorum, wie denn auch der Tertiarum, Quintarum und Septimarum, so auff dieselbe Noten durch eine Ligatur und Syncopation bißweilen kommen, dergleichen thun und also zween numeros uber einander setzen solte. Jedoch weil es ziemliche weitläuffigkeit, und den Druckern auch beschwerung gibt, stehet es zu eines jeden gefallen, und muß man hierinn etwas geduld haben, daß der Singer das Ohr zu der Orgel reiche, und regulire und verhalte sich, nach dem er höret. Demnach ists viel besser, man lasse oder setze desto mehr ein Bmolle oder ein Diesin image als daß man in verbleibung dessen, nicht zusammen stimmen und accordiren solte.

Es ist genug, daß der Organist uffs wenigste weiß oder ja wissen sol, wenn er von der Sexta in die Octaven kömpt, so wil es ordentlicher weise eine Sexta major seyn. Und wenn von der Tertia zu der Sexta majori, oder Octaven kömpt, so wil es eine Tertia major seyn. Unnd gleicher gestalt auch in vielen andern. Denn ob zwar solches ordentliche gewisse Regeln seyn, so müssen sie doch gleichwol nach eines jeden Componisten humor und capriccio (Gehirn unnd Einfällen) allerley exceptiones leiden. Darumb man dann nicht besser thun kan, als daß man es mit den Numeris oben andeute, so ist es desto gewisser, und hat man sich keines erroris zu befahren.

Und daß ich nun also diesen discurs schliesse, so sage ich, daß die jenigen, so anderer Meynung und contrarirer opinion seyn, vielleicht die Orgelkunst nicht verstehen, oder aber nicht doruff schlagen können, dieweil sie den mangel und beschwehrlichkeit, so der Organist (wenn er also blind oder blintzende schlagen, und allezeit in furchten, daß er nicht fehle, stehen muß) findet, nicht erkennen oder begreifen können.


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3. Dieweil auch alle Cadentien, so wol mitten im Gesang, als am ende eine Tertiam Majorem erfordern, so wird die Diesis image von etlichen doselbst nicht darüber gezeichnet. Wiewol vorgedachter Augustinus Aggazzarius selbsten vor rathsam erachtet, daß man umb mehrer versicherung willen, bevorab in der mitten, sie darüber zeichnen solle. Welcher Meynung ich dann auch gäntzlich bin. Sintemal ein Componist zum öfftern umb einer Fugen oder andern vorhergehenden Ursachen willen eine Tertiam minorem gesetzt hat, welches denn ein Organist also eben nicht errathen kan. Demnach ich aber befunden, daß etliche noch ungeübte, nicht recht zu unterscheiden wissen, woran sie eigentlich im Baß die Cadentien erkennen, und die Tertias majores recht gebrauchen sollen. So ist zumercken, daß die Cadentien im Baß in die Quint hinnunder descendiren, unnd in die Quart hinauff steigen. Wenn aber der Baß in die Quint hinauff steiget, oder in die Quart hinunter fellet, so ist es keine Cadentia, und muß die Tertia minor und nicht major gebrauchet werden. Es were dann, daß der Componist aus sonderbaren Ursachen vor sich also gesetzet hette. Sonsten kan naturaliter die Tertia major daselbsten keine stadt haben. Welches, weil ich gehört und gesehen, daß diesen unterscheid auch etliche geübte Organisten noch zur zeit nicht sonderlich in acht nehmen, ich nothwendig erinnern müssen.


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Etliche sind der Meynung, daß es im GeneralBaß 10 oder 12 Linien, und dorinnen die Tertien, Quinten, Quarten, Sexten, Septimen et cetera mit Noten uber den Baß zusetzen, besserley, als daß man es mit Ziffern oder signis drüber zeichne. Sintemal es den jenigen, so dieses mit den Ziffern zuvor niemals gesehen, viel weniger sich hierinn geübt, noch darzu begeben, anfangs sehr schwehr vorkompt. Welche opinion ich mir dann meines theils gar wohl gefallen lasse, fürnemlich darumb, darmit man eigendlich wissen könne, ob die Cadentien oder Clausulæ formales in den obern oder Stimmen zu gebrauchen seyn. Und hette mich auch derselben in meinen operibus gebraucht, wenn man allezeit solche Noten zum setzen und drucken hette haben können. Wie ich im Appendice des folgenden andern Stücks etwas darvon mit mehrern berichten wil.


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Dieses aber muß sonderlich allhier observiret und in acht genommen werden, daß in denen Gesängen, welche Mixolydii, Æolii und Hypoionici Modi, in quartam inferiorem (weil es in der Quint, wie oben angezeigt, allzuschläfferig seyn möchte, und in der Quart sich etwas frischer un anmutiger, sonderlich uffn Instrumenten hören lest) transponiret werden, forn an bey dem Clave Signata image die Diesis image bezeichnet. Und alsdenn der gantze Cantus gar fictè, durch das Semitonium image (welches von den Organisten fis genennet wird) geschlagen werden müsse. Darumb denn unnötig, uber die Noten, so im d gefunden werden, das image zur anzeigung der Tertiæ Majoris zu setzen, sondern dieweil das image fornen an allezeit in die Claves f und F gezeichnet worden, so bezeuget es das alle Noten, durch und durch uff derselben Linien oder Reigen dafür gehalten und geachtet werden müssen, gleich, als wenn vor einer jeden ein image gezeichnet were. Daher dann die Tertia major naturaliter zum d muß gebrauchet, und die Tertia minor, wenn die etwa vom Autore accidentaliter mit eingemenget wird, mit dem image notirt werden.


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Das II. Stück.
Wie ein Organist einen jeden Gesang und Concert Schlagen und tractiren solle, Solches wird in nachfolgenden acht Puncten erkläret.


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Lodovico Viadana 1. Sol er aus diesem GeneralBasse oder Partitur gar simpliciter und schlecht, doch so rein und just es immer müglich, hinweg schlagen, wie die Noten nach einander gehen, auch nicht viel Läuflin oder Colloraturen machen, fürnemblich in der lincken Hand, in welcher das Fundament geführet wird. Wil er aber mit der rechten Hand einige Geschwindigkeit oder Bewegung, als nemblich in lieblichen Cadentien oder sonst lieblichen Clausulen gebrauchen, so muß es mit sonderbahrer Maß und Bescheidenheit geschehen, damit die Concentores in ihrem intent nicht impediret und confundiret, oder ihre Stimme dadurch obtundiret und unterdrücken werde.

Michaelis Praetorii Creuzburgensis Dann, wie ich von verständigen, der Music zugethanen hohen und vornehmen Personen berichtet werde, so seind etliche vortreffliche Organisten in Italia und anderswo, welche in solchen Concerten weder Diminutiones oder Passagi, noch einige Groppos in den Cadentien, oder auch Mordanten machen. Sondern nur gar schlecht und recht, wie es im General Baß befunden wird, einen Schlag und Griff nach dem andern greiffen, also, daß die Motion und Bewegung der Hände fast nicht zu spühren ist. Welches ich mir dann auch gar wolgefallen lasse, dann man sonderlich keine Chromata oder Semichromata adhibire. Allein es deuchtet mich nicht so gar uneben seyn, daß in etlichen Concerten der Organist mit sonderm fleiß observire, wenn der Concentor seine diminutiones und Passaggien machet, Er alsdann fein simpliciter und einfältig von einem Clave zum andern, wie von einer Stueffen zur andern allmehlich fortschreitte. Do aber der Concentor nach verrichteten vielen unterschiedenen Movimenten, schönen Diminutionen, Groppen, Tremoletten und Trillen etwas träg, müde, und wegen kürtze der Athems die folgende Noten schlecht und simpliciter zu singen anfahen muß, daß alsdann der Organist, doch allein mit der rechten Hand, feine artige Diminutiones et cetera mit einführe, und den Concentorem in seinen vorhergebrauchten Movimenten, Diminutionen und verenderungen, et cetera. zu imitiren sich bemühe, und sie also gleichsam ein Echo mit einander machen, biß der Concentor sich wiederumb erhole, und seine Kunst und Liebligkeit anderweit hören und vernehmen lasse. Wie dann auch meines wenigen erachtens, do ja keine einige Diminutiones oder andere dergleichen Movimenten gebraucht werden, der Mordanten oder Tremoletten nicht aller dinge zu vergessen. Sintemal des Concentores oder Vocalisten Stimme hierdurch ganz nicht, oder ja so sehr nicht, als wol durch vielerley Coloraturen und Diminutiones interturbiret werden kan. Doch sol hinfort niemand nichts zum præjudicio vorgeschrieben seyn, sondern wird eim jeden, wie ers damit halten wil, frey gelassen.

2. So will es sich in allen Concerten nicht thun lassen, daß man es so stracks ex


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tempore aus dem GeneralBas schlage, darumb ist von nöthen, daß sonderlich ein ungeübter den Gesang, welchen er spielen wil, zuvor fleissig und wol durchsehe, damit wenn er den Stylum, die Weise und Art dieser Music recht einnimbt und innen wird, feine Griffe und Schläge uff der Orgel desto vollkommener und gewisser darnach accomodiren und zusammen fügen könne.

3. Lodovico Viadana So wil Ludovicus Viadana, daß die Cadentien uff der Orgel an dem Ort und in der Stimme gemacht werden, wie und wo sie von dem Concentori oder Sänger gesungen werden. Also daß wenn ein Bassist alleine in die Orgel singet, so muß der Organist die Cadentien auch im Baß, singt ein Tenorist, so muß er sie im Tenor machen, und so fortan, denn es wolte gar ubel klingen, wenn ein Discantist seine Cadentzen an seinem Orth machte, und der Organist wolte dieselbe Cadentz im Tenor eine Octava darunter machen et contrà.

Wiewol etliche in diesem einer andern Meynung seyn, wie hernach im 6. Punct erinnert wird.

4. Wenn der Gesang von einer Fugen oder Choral anfehet, so sol der Organist auch also nur mit einer Stimme oder Griff uff einem Clave oder Calculo, die Fugam wie sie gesetzt ist, anfangen. Wenn aber hernacher die andere Stimmen darzu kommen, so stehets ihm frey, mehr Claves nach seinem guten gefallen darzu zugreiffen.

5. Wenn in einem Gesange, oder solchem Concert, so etliche Stimmen zuvor allein die Orgel gesungen haben, bißweilen alle Stimmen zusammen einfallen, welches den Italiänern Ripieni concerti (ut supra capitel I) genennet wird, so sol man uff der Orgel zwar manibus et pedibus, das Manual und Pedal, völlig mit einander schlagen und begreiffen, aber kein ander Register von mehr Stimmen darzu ziehen, denn der zarte und gelinde schwache Tonus der Sänger würde sonsten durch starcken Laut und Klang der vielen gezogenen Registern in der Orgel gar zu sehr uberfallen, und dadurch die Orgel mehr und stärker, als die Cantores gehöret werden.

Wiewol etliche, als der Augustinus Aggazzarius und Sebastianus Miserocca der Meynung seyn, daß man in der Orgel mehr Register ziehen solle, wenn die Ripieni concerti, oder pleni concentus angehen. Welches dann noch füglicher geschehen kan, wo zwey Clavier vorhanden, daß man in einem ein gar gelinde Stimmwerck, Im andern etwas stärcker habe, damit man in solcher umbwechslung von einem Clavir uffs ander fallen, und wenn wenig Stimmen seyn, das gelinde Register, Wenn aber mehr und viel Stimmen darzu kommen, das stärckere oder geduppelte gebrauchen, und volle Concordantias greiffen könne. In


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wenig Stimmen, aber die Concordantien verringern, und derselben wenig hineinbringen, damit die einzige der zweyer oder dreyer MenschenStimmen von vielheit der Concordantien oder starcklautenden Pfeiffen nicht ubertaubet werde.

Lodovico Viadana 6. So ist dem Organisten nicht so sehr von nöthen, daß er in der Partitur uff zwo Quinten oder zwo Octaven, sondern vielmehr uff das, was mit der Menschenstimme gesungen wird, achtung gebe. Doher, wenn ein Concert ad aequales (â voce pari) gesetzt ist, oder eine Tenor oder Bassstimme gesungen wird, so sol der Organist nimmer in die höhe hinauf in die Discantstimme kommen, sondern allezeit drunten bleiben. Dagegen, wenn hohe Discantstimmen gesungen werden, sol er nicht in der tieffe, sondern in der höhe bleiben und commoriren, doch daß er in den Cadentiis die Octaven drunten wol gebrauchen mag, denn dadurch wird die Melodey lieblicher und anmutiger werden.

Agostino Agazzari Der Augustinus Agazzarius aber wil, daß man die hohen und hellen stimmen in FundamentInstrumenten gantz aussen lassen und vermeiden solle, darumb daß sie die singende, insonderheit Discant und Falsettstimmen verhindern und occupiren. Wie er dann auch wil, daß man den Griff meiden, das ist, dieselbe Noten nicht berühren sol, welche der Discant singet, damit nicht ein gedoppeltes gemacht, und dadurch die Liebligkeit, die der gute Singer mit Tiraten und Läuflin darzu macht, verdunckelt werde. Darumb dann nichts bessers, als daß man, wie vor gesaget, gar strictè, eingezogen und gravitetisch im Schlagen procedire.

7. Ferner, ausser dem, so werden vom Agazzario etliche Principia und termini angezeigt, wie man aus dem Baß schlagen sol. Als daß man ab Imperfecta ad Perfectam, und deroselben allernechsten Concordantz schreite. Item die bösen Species, mit den benachbarten guten resolvire, Als die Septimam mit der Sexta, die Quartam mit der Tertia, wenn das Theil so resolviret, als nemblich die Sexta oder Tertia oben darüber kömpt. Wenn sie aber darunter gesetzt ist, so muß im gegentheil das contrarium gebrauchet werden. Aber hiervon zu reden, gehöret eigendlich ad Melopoeia in Quarto Tomo. Darumb wir jetzt nur allein, wie man die Hand auff die Orgel bringen solle, noch sagen wollen.

Der Baß gehet auff viererley Art.

Denn Erst so continuiret er sich, und gehet nach einander per gradu continuos,


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darnach mit Sprüngen per saltus, denn mit nacheinanderfolgenden Läuflin, Tiratâ continuatâ. Und endlich mit voneinander gesetzten und springenden schwarzen Noten, notis disjunctis.

1. Wenn er uber sich steiget per gradus continuos, so sol man mit der rechten Hand von oben herab ihm entgegen kommen, entweder continuirter weise, oder mit springen.

2. Im gegentheil aber, wenn die unterhand im Baß springet, oder per saltus von der Tertien, Quart oder Quint herunter steiget, sol man mit der obern rechten Hand per gradus procediren. Denn es nicht gut ist, zugleich mit beyden Händen springen, oder herunter steigen. Sintemal es nicht allein zu hören, sondern auch zu sehen unfreundlich, unlieblich und unhöflich ist, als dabey keine verenderung, sondern eitel Octaven und Quinten zu vernehmen.

3. Wenn der Baß mit einer Tirata und Läuflin nach einander in die höhe hinauff steiget, so muß die Obere Hand fest stehen bleiben.

4. Wenn es aber mit disiungiren schwarzen Noten geschicht, so muß man einer jeden Noten eine sonderliche accompagnaturam, Gesellschaft und Concordantz mit der obern Hand zueignen, wie im folgenden Exempel zu ersehen.


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Midi MEI

So ist auch dieses zu observiren: Wenn man einen GeneralBaß aus dem rechten Baß auffsetzen wil, daß man die Läuflin mit schwarzen Noten nicht allzeit also, wie gefunden werden, sondern recht und schlecht mit Semibrevimus und Minimis, doch nach dem es sich schicken wil, schreiben und setzen solle.

Als zum Exempel:


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Michaelis Praetorii Creuzburgensis 8. In etlichen GenralBässen, als in den Dialogicis Concentibus Agostino Agazzari und anderer, befinde ich wenn gleich hohe Altus- oder Tenorstimmen das Fundament führen, daß im GeneralBaß die Octav drunter, uff der Orgel zu schlagen gesetzet werden. Welches etlichen mißfelt, mir aber nicht so gar unrecht und uneben deuchtet, Sintemal man in Orgeln, sonderlich aber in Positiven nicht allezeit solche Stimmen, welche von acht Füssen am Thon, und mit der Menschenstimmen Aequal seyn, haben kan, sondern bißweilen die kleine Stimmen, so umb ein Octav höher nur von 4. Füssen seyn, gebrauchen muß. Bißweilen hat man auch Regal von 16 Fuß, welche per se ein Octav tieffer unter der Menschenstimme resonieren. Doselbsten es dann allezeit ein Octav tieffer gegen der Menschenstimme procediret, ob der Gesang gleich so hoch, als er stehet, geschlagen wird. Und in diesem befinde ich den Adrianum Biancheri in Cartella gantz meiner Meynung seyn.

Aber hiervon ist mit mehrerm im 2. Theil dieses dritten Tomi gehandelt worden. Und ob wol bißweilen auch Quinten und andere verbottene Speties gegen dem Generalbaß befunden werden, So ist ja keiner so unerfahren, der nicht wissen solte, daß solches nicht ex inscitia et incuria Componistae herrühre. Denn ob gleich die Stim-


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men justamento nach den Regulis Musicalibus componiret seyn, jedoch, wenn alle Stimmen in die Noten Tabulatur uff 10, 12 oder 14 Linien, wie gebräuchlich, gesetzt werden, so kan es nicht fehlen, daß nicht zum offtermal Quinten und Octaven solten in solcher Tabulatur gesehen werden, dieweil die Stimmen durcheinander bald oben, bald unten, der Cantus unten Altus, der Altus unten Tenor, der Bass ubern Tenor, nach dem ein jeder gesungen wird, geschrieben werden muß. Welches aber in der rechten Spartitur, do die Stimmen vor sich alleine ubereinander absonderlich geschrieben werden, sich nicht finden wird.

Appendix.

Und dieweil ich bey denen Organisten (so zuvor dieser Manier, do nur eine oder zwo Stimmen allein zum Generalbaß gesetzt sind) nicht gewohnt, befunden, daß sie alleine den GeneralBaß, und die eine oder zwo Stimmen eben, wie gesetzt seyn, absetzen und hinweg schlagen. Und aber gar schlecht und bloß lauten würde, wann keine Mittelstimmen von dem Organisten uff der Orgel oder andern FundamentInstrument darzu solten gegriffen werden. So habe ich allhier (weil aus vorhergesetzten Bericht ein ungeübter solches allerdings nicht begreiffen möchte) etwas deutlicher expliciren müssen, wie sich ein anfahender Tyro und Incipient zum GeneralBaß schicken könne, und daraus schlagen lernen solle.

1. Wenn ein GeneralBaß fürkompt, sol er dahin bedacht seyn, daß er unten mit der lincken Hand, zu einer jeden FundamentNoten, so im GeneralBaß befunden wird, entweder eine blosse Quintam alleine, oder auch mit der Tertien darzu, Oder aber ein gantze Octavam auch alleine, oder mit der Quint zusammen greiffe. Mit der rechten Hand aber die Octav allein zu der FundamentNoten, oder aber die Tertiam darzu, welche gegen dem Fundament die Decima ist, oder auch diese Decimam und Duodecimam zusammen. Und diß also durch und durch. Jedoch, daß die darüber gezeichnete signa image image und Numeri 3, 4, 5, 6, 7. et cetera ob Tertias et Sextas Majores et minores (Davon im 3. Punct des I. Stücks dieses Capittels meldung geschehen) gar fleissig in acht genommen werden. Und also ist nicht nötig, daß der Organist die Vocalstimmen also, wie sie gesungen werden, im schlagen observire, sondern nur für sich selbsten die Concordantien zum Fundament greiffe. Inmassen ich dann, mellioris intellectus et declarationis gratia, diß Exempel hierbey mit einbringen wollen, Aus dem 2. Theil meines Wir gläubens, welches in Polyhymnia Caduceatrice seu Pacis nuncia zu finden.


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Resolutio
Midi MEI

Die nun der noten Tabulatur nicht gewohnt seyn, die können es daraus gar füglich in die Teutsche Buchstaben Tabulatur setzen, und sich daraus ersehen, wie die Mittelstimmen darzu appliciret werden müssen.


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2. Muß fleissig in acht genommen werden, wo die Claves signatæ image image uff den Linien fornen, und in der mitten variiren und umbwechseln, sonsten gibt es gar leichtlich irrungen.

3. Wenn ein Discant alleine, oder auch zweene miteinander in den GeneralBaß gesungen werden, so ist meines erachtens besser, daß man meistentheils oben in den kleinen Stimmen unnd Clavieren bleibe. Wenn aber Tenoristen, Altisten, oder Bassisten singen, unten in den groben und tieffen Clavibus immorire.

4. Wenn wenig Stimmen singen, daß man alsdann auch wenig Claviere etwan c g e', d a f', c c' e', et cetera darmit die Stimmen von der Orgel absonderlich und vernemblich gehöret werden können. Wenn aber viel Stimmen zu singen anfahen, alsdann auch desto mehr Claves und vollstimmiger drein greiffe.

NotaBene 5. Ist diß auch sonderlich zu mercken. Wenn 2 oder 3 Stimmen allein in den GeneralBaß, denn der Organist, oder Lauttenist für sich hat, und draus schlägt, gesungen werden, Daß es sehr gut, auch fast nötig sey, denselben GeneralBaß mit einem BaßInstrument, als Fagott, Dolcian oder Posaun, oder aber, welchs zum allerbesten, mit einer Baßgeigen, darzu machen lest. Darumb ich dann etliche Cantores darzu ermahnet, und were sehr zu loben, wenn es ihrer viel also vor die hand nehmen, daß sie sich uff einer Baßgeigen, den Baß im Chor mitzustreichen (welches dann gar eine leichte Kunst ist) exerciren möchten, welches, weil man in allen Schulen nicht allezeit gute Bassisten haben kan, das Fundament trefflich zieret und stercken hilft.

Oder man kan auch den GeneralBaß darzu singen lassen, darumb ich dann den Text, so gut er sich darzu schicken wollen, darunter appliciret, in denen Cantionibus, do der Text nicht allbereit in den InstrumentalBässen zu finden seyn wird.


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