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Vom Lauttenisten, Harffenisten et cetera
Wie nemblich alles das, so jetzo vom Generalbass tractirt, und allein uff den Organisten gerichtet worden, Ebener massen auch uff der Lauten, Harffen, Theorben und dergleichen in acht zu nehmen, und gebraucht werden könne.

Es mus nun alles vorgesagte eben also, auch auff der Lautten, Harffen, Chitarron oder Theorba, wenn sie als FundamentInstrumenta gebraucht, und eine oder mehr Stimmen darein gesungen, in Fleissige auffacht genommen werden. Denn sie sollen allzeit eine fest bestendige, vollautende und Continuirte Harmoniam führen, so die voces humanas gleichsam als tragen, und bald heimlich und still, bald widerumb starck und frisch schlagen, nach der qualitet und menge der Stimmen, auch nach gelegen des Orts und des Concerts. Doch muß man in dem das die Stimme ihre schöne Läufflin und Coloraturen macht, oder sonst einen andern affectum repræsentiret, nicht so gar uber starck in die Säiten greiffen, damit die Stimme da durch nicht interrumpiret werde. Und dieses sey gesagt von FundamentInstrumenten.

Wenn nun aber die Lautt, Theorba, Harff, Chitarron et cetera. als Ornament-Instrumenta grebraucht werden, müssen sie so wol als die andern Ornament Instrument (welche auff mancherley weise mit den Stimmen variiret und vermischet werden, zu keinem andern ende, als das sie die selben Zieren, Schmücken und gleichsam als Condiren und Würtzen) auff eine andere Art, und nicht als Fundament-Instrumenta sich hören lassen. Denn gleich wie jene das rechte Fundament und die Harmony fest und bestandig halten, Also müssen diese Ornament-Instrumenta jetzunder mit Varietet und verenderungen schöner Contrapuncten, nach qualitet der Instrumenten die Melodiam zieren und ausputzen. Aber hierin ist der unterscheid, das uff diesen Ornament Instrument nötig ist, daß der Instrumentist vom Contrapunct gute wissenschafft habe, die weil man alda uber demselben Baß, newer Passaggien, Contrapunct, und also fast gantz newe Parteien oder Stimmen Componieren muß. Welches in den FundamentInstrument nicht so groß von nöten ist.

Soll derwegen der Lautenist seine Lauten, weil es ein Zierlich und lieblich ja Nobilitiert Instrument ist, auch wohl und herrlich schlagen, mit mancherley inventionen und Variationen, Und es nicht machen, wie etliche, Welche weil sie


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mit einer geraden Hand begabet seyn, vom Anfang biß zum Ende anders nicht thun, als tirare et diminuere, das ist eitel Läfflein und Colloraturen machen, insonderheit, wenn sie mit andern Instrumentisten zu gleich einschlagen. Welche denn gleicher gestalt diesen nichts nachgeben, und auch vor grosse Meister und geschwinde Coloraturen macher angesehen und gehalten sein wollen. Daher denn anders nichts gehöret wirt, als eine unliebliche Confusion und Widerwertiges streiten (Zuppa, das ist, elend Lahm ding) den zuhörern gantz unangenehm und beschwerlich. Darumb ist es viel besser, wenn der Lauttenist (Hora con botte, e ripercosse dolci, hor con passaggio largo, et hora stetto, e raddopiate, poi con qualche sbordonata, con belle gare e perfidie, repetendo, e cavando le medesime fughe in diverse corde, o lochi: in somma con lunghi gruppie trilli, et accenti â suo tempo, intrecciare le voci, che dia vaghezza al conserto, e gusto, e diletto all uditori) bißweilen lieblichen nider und wiederschlägen, Bald mit weitlauffenden, bald mit kurtzen eingezogenem, und gedoppelten reduplicierten Passaggien, bald mit einer sbordonata frembden Harmonia, gleichsam als wenn man aus dem Thon kommen wolte, mit einer hüpschen Schönen art (gare et perfidie) in dem das er repetieret, und einerley Fugen uff unterschiedenen Säiten, und an unterschiedenen örtern herausser und zu wege bringet, die selbe repetieret und widerholet, und in summa die Stimmen mit langen Gruppen, Trillen und Accenten zu rechter zeit gebraucht, einflechte, das er dem Concert eine Lieblikeit und geschmack gebe, und den zuhörern eine belustigung mache. Darneben sich aber mit grossem fleiß und judicio hüte und fürsehe, das er die andern Instrumentisten nicht offendire, oder mit ihnen zu gleich lauffe, sondern ihme wol zeit und weile nehme. Fürnehmlich, wenn einerley Instrument nahe bey einander, und nicht in unterschiedenen Tonen gestimmet oder von unterschiedlicher grösse seyn. Was nunbey der Lautten, als dem fürnembsten Instrument zu Observiren von nöten, dasselbe muß gleicher Gestalt bey andern dergleichen Instrument in acht genommen werden.

Die Theorba vermehret die Melodey gar sehr mit ihren vollen und Lieblichen Consonantiis in dem man die grosse, Grobe, lang außgestreckte Säiten Ci suoi bordoni mit gar frichen widerschlägen und langsamen herunter und hienauff lauffen (ripercotendo et Passeggiando leggiadramente) rechtschaffen angreiffen muß. Welches ein sonderbahre Excellentia in diesem Instrument ist vor andern, mit stillen und messigen Trillen und Accenten con Trilli et Accenti muti, so mit der Hand gar unten am Stege gemacht werden. Die doppel Harffe, weil sie so gut im Baß als im Discant, muß allenthalben mit Lieblichen (pizzicate) scharffen griffen tractiret werden, (Con risposte) das beyde Hände einander fein und wol Respondiren, mit Trillen et cetera. und summa, sie will einen haben, der ein guten Contrapunct darauff machen kan.


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Die grosse Cither, Italis Ceterone, so wol Cetera ordinaria, oder die gemeine Cither sol auch wie andere Instrumenta gebraucht werden, Scherzando et Contraponteggiando sopra la parte. Das ist, daß man allerhand gute und lustige Possen mit leufflin, springen unnd contrapunctiren doruff zu wege bringe.

Dieweil auch ein jedes Instrument seine eigene terminos hat, so sol auch der jenige, der so darauff spielet, derselben gebrauchen, und sich darnach reguliren, damit er feine und gute Arbeit machen möge.

Die Instrument darzu man einen Bogen gebraucht, haben eine andere Art, als die mit den Fingern oder Fedderkeilen geschlagen werden. Derowegen der, so auff der Lirone, und grossen Lyra spielet, sol lange klar- und hellautende Striche und Züge Tiraten mit dem Bogen machen, damit er die MittelParteyen oder Stimmen wol heraus bringe, und uff die Tertias und Sextas majores und minores fleissig achtung gebe. Welches, ob es wol uff diesem Instrument schwehr, gleichwol aber sehr viel dran gelegen ist.

Die Discant Geig, den welschen Violino, will schöne Passaggien haben, unterschiedliche und lange Schertzi, rispostine, feine Fugen, welche an unterschiedlichen örtern repetiret und wiederholet werden, anmutige Accentus, stille lange striche, Gruppi, Trilli, et cetera.

Die grosse Baßgeig, den welschen Violone, gehet, als es den tieffen stimmen gebühret, gar gravitetisch, erhelt mit ihrem lieblichen Resonantz die Harmony der andern Stimmen, und bleibt so viel sie immer kann uff den groben Säitten, zum öfftern auch der ContraBaß, das ist uff den gröbsten Säiten die Octav anrührend.

Und ist nun bey allen diesen jetztgedachten OrnamentInstrumenten zum höchsten nötig, daß alles mit gutem verstande und bedacht gebraucht werde. Denn wenn ein Instrument alleine ist, so muß es auch alles verrichten, und die Music fein steiff und gewiß führen.

Wenn aber Gesellschaft und andere mehr Instrument verhanden seyn, müssen sie eins uffs ander sehen, ihnen untereinander raum ond platz geben, nich gegen einander gleichsam stossen, sondern wenn ihrer viel seyn, ein jedes seiner zeit erwarten, biß daß die Reye, seine Schertzi, Trilli und Accent zu erweisen, auch an ihn komme. Und nicht, wie ein hauffen Sperlinge untereinander zwitzschern, und welches nur zum höchsten und stärcksten schreyen unnd krehen kan, der beste Hahn im Korbe sey. Welches dann bey DiscantGeigen, Cornetten, et cetera. eben so wol zu observiren.

Michael Praetorius Creuzburgensis Und dieser Punct ist vor allen dingen in eim jeden Concert auffs


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allerfleissigste von allerley Instrumentisten, so wol auch von Vocalisten und Sängern in acht zu nehmen. Damit nicht einer dem andern mit seinem Instrument oder Stimme ubersetze und uberschreye. Welches dann gar sehr gebräuchlich, und viele herrliche Music dadurch in grund verdorben und zerstöret wird. In dem sich immer einer vor dem andern will hören lassen, also, daß die Instrumentisten, sonderlich uff den Cornetten mit ihren uberblasen, und auch die Sänger mit ihrer Vociferation und uberruffen, endlich so hoch in die höhe kommen, daß der Organist, wenn er mitschlägt, gantz und gar auffhören muß und in Final sich befindet, daß der gantze Chor durch deroselben ubermessiges uberblasen und uberschreyen, und ein halben, ja offt umb ein gantzen Thon, und mehr in die Höhe gezogen.

Agostino Agazzari Dahinn denn ohn allen zweiffel der Augustinus Aggazarius gesehen. In dem er will, daß die blasende Instrumenta, wegen der verenderung, so des Menschen Athem darinnen verursacht, und sonderlich die Zincken, nicht in stillen, guten unnd lieblichen, sondern allein in grossen, rauschenden Music mit untergemenget und gebrauchet werden sollen.

Bißweilen aber könne man auch in kleinen Music die Posaun, wenn sie wol und lieblich geblasen, bey den kleinen Positiflin oder Orgelstimmen von 4 Fußthon, zum Baß gebrauchen. Michael Praetorius Creuzburgensis Welcher aber seinen Zincken, und dergleichen Instrumenta recht zwingen und moderiren kan, und seines Instruments ein Meister ist, sol hiermit nicht gemeint seyn.

Zum beschluss des GeneralBaß muß des Augustinus Aggazarii eigene Wort außm Italiänischen in Teutsche Sprach versetzet, allhier mit einführen. Steht eim jeden frey, wie ers uffnehmen und verstehen will.

Dieweil ich weiß, daß der GeneralBaß von etlichen, die entweder nicht verstehen, zu welchem er gerichtet, oder aber nicht daraus schlagen können, verachtet wird, So deuchtet mir nicht ubel gethan seyn, etwas allhier davon zu melden. Es ist aber diese Art aus dem Basso Conitnuo zu schlagen, umb dreyerley Ursachen willen erfunden, und in gebrauch kommen.

  • Wegen der jetzigen gewohnheit und styli im singen, do man Componiret und singet, gleichsam, als wenn einer eine Oration daher recitirte.
  • Wegen der guten Bequemligkeit.
  • Wegen der grossen Menge, Varietet und Vielheit der operum und partium, so zur Music von nöthen seyn.

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    Die erste betreffend, sag ich, Weil man itzt newlich die rechte Art, die Wörter zu exprimiren erfunden hat, in dem man fast und so viel als müglich, eben so singet, als wenn man sonsten mit einem redete welches dann am besten mit einer eintzigen, oder Ja mit wenig Stimmen angehet, wie die heutigen Melodien etlicher vortrefflicher Leute vorhanden, und mans itziger zeit zu Rom sehr viel im gebrauch hat. Als ist nicht nötig, das man sie alle absetze, oder in die Tabulatur bringe, sondern es ist gnug am blossen Baß, wenn nur die Signa darüber bezeichnet werden. Und so mir einer sagte, das zu den alten Motetne und Stücken, welche voller Fugen und Contrapuncten seyn nicht gnug seyn an diesem Baß, dem gebe ich hinwider zur Antwort, das solche und der gleichen Gesänge, bey uns nicht mehr im gebrauch wegen der Confusion und verstümlung des textes und der Wörter, so von dem langen und ineinander geflochtenen Fugen herkommen. Darnach auch, Weil sie keine rechte art Lust- und annemligkeit haben. Denn wenn alle Stimmen gesungen werden, so höret man weder Periodum noch sensum, weil alles von den Fugen, Welche sich so offt repetiren, interrumpiert wird, und eine jede Stimme besondere und unterschiedliche Wort, zu einer zeit singet und aus spricht, welches verstendigen Leuten, die darauff mercken, mißfelt. Unnd hat nicht viel gefehlet, das die Music dieser ursachen halben von einem Bapst gantz und gar aus der Kirchen wehre Partiret worden, Wo nicht Johan Palestrino sich der sachen angenommen, und bewiesen hette, das mangel bey den Componisten, und nicht in der Kunst der Music steckete. Wie er dann zu bekräfftigung dessen, eine Missam, Missa Papæ Marcelli genand, Componiret hat. Daher ob wol solche Compositiones nach den Regulen de Contrapuncta gut sein, seind sie doch nit gut nach den Regulen der guten und wahren Music, und seind daher kommen das man nit verstanden hat das Officium, finem und rechte Præcepta dieser Kunst, sondern allein uff die Fugen und Noten gesehen, und nicht auff die affectus und gleichförmigkeit der Wörter. Wie dann auch ihrer viel erstlich die Composition der Noten gemacht, und darnach aller erst die Wort und den Text darunter mit grosser mühe und Schwehrheit geflickt und gestückt haben. Und diß sey hiervon gnug.

    Die ander Ursach ist die grosse Bequemligkeit, daß der, so schlagen lernet, sich mit der Tabulatur zu bemühen unvonnöten hat. In betracht, dasselbe ein beschwehr und Verdrießlich ding ist, darinnen man leichtlich irre wird, insonderheit wen man ex improvisio Musiciren soll.

    Die dritte ursach deuchtet mir allein wichtig gnug zu sein, einen solchen GeneralBaß ein zu führen, nemlich die menge der Operum und Bücher, so man


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    sonsten zum Musiciren von nöten hat. Denn wenn man nur das allein, so zu Rom in einer Kirchen darinnen man pflegt zu Musiciren, in einem eintzigen Jahr gesungen wird, absetzen, und in Tabulatur bringen solte, so müste der Organist ein grösser Bibliothecam haben, als kein Doctor im Rechten. Derowegen man billich den Baß auff diese Art erfunden hat, weil es doch nit nötig ist, wenn in die Orgel oder Regal gesungen wirdt, daß man alle Stimmen oder Parteien schlage, wie sie gesetzt sein. Wenn man aber alle Stimmen, wie sie Contrapunctes weise in einander gefüget seyn, schlagen will, das ist ein ander Werck, und gehöret nicht hieher zu unserm jetzigen intent und vorhaben. Hactenus Agazzarius.

    Nota Bene Zum beschluss aber mus ich alhier den Organisten Freundlich zu verstehen geben, wenn ein Concert mit etlichen Choren in der Kirchen oder auch vor der Taffel angestellet wird, daß, gleich wie Fürtreffliche Oratores, wen sie wichtige sachen tractiren und davon Ansehnlich peroriren wollen, sich gemeiniglich eines dienlichen wolfügenden Exordii, ungeachtet es eigentlich zum Hauptwerck nicht gehörig, allein zu dem Ende, domit sie die Zuhörer benevolos attentos et dociles machen, und umb so viel ermuntern mögen, befleissigen, also auch sie im anfang mit ihren Præludiis die Zuhörer und gantzes Consort der Musicanten gleichsam Convociren und zusammen locken sollen, als bald ihre Partes auff zu suchen und die Instrumenta rein und ohne Falsch ein zu Stimmen und zu intoniren, und sich also zum anfang einer guten und wol klingenden Music zu Præpariren.

    Weil aber die Lauttenisten und die Violisten ihre Lautten und Geigen meistentheils ins G zu Stimmen anfahen, ist sehr nötig das sie erstlich mit beiden Händen die Octaven im G völlig begreiffen, darinnen ein wenig immoriren und still halten, hernacher ins D dann ins A folgens ins E ferner ins C und F fallen und fürter in einem jeden, aber mit der Lincken Hand, biß auff zween oder drey Tact still halten, ob sie gleich mit der rechten feine Läufflin, und andere Diminutiones, wie in den Tocaten gebreuchlich, mit ein bringen. So lang biß die andern ihre Lauten, Violen und Geigen et cetera. rein ein gezogen und gestimbt haben und alß denn können sie eine kleine Fugam, Liebliche phantasiam oder Tocatam anfahen, Kurtz abbrechen, und und zum Final in dem Clave, dorinnen das Concert anfänget, fein seuberlich und allmählich schreitten da mit sie mit einer guten gratia den Thon des Concerts widerumb erwischen und als dan die gantze Consort in gesambt mit vollem hauffen in Gotts Nahmen ein gut Concert, Mutet, Madrigale oder auch Patuanam zu Musiciren anfahen mögen.


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    Ein aus dermassen aber sehr grosser Ubelstand und Klang ist es, daß, wenn der Organist præambuliret, die Instrumentisten in mittelst ihre Fagotten, Posaunen und Zincken anstimmen, und viel fistulirens und wesens durcheinander machen, daß einem die Ohren darvon weh thun, und die kalten Schnuppe bekommen möchte. Sintemal es so ubel lautet, und ein rumor durcheinander machet, daß man nicht weiß, obs gestochen oder gehawen ist. Dorumb dann zumaln billich ein jeder zuvor, ehe er zum uffwarten in der Kirchen oder sonsten erscheinen muß, in seinem Losament den Zincken und Posaune fein wol stimme, und sich uffm Mundstücke ein guten Ansatz mache, darmit solcher dissonantz und ubelklang der Auditorum aures und animos nicht mehr offendiren als delectiren möge.


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