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1. Natura.

Erstlich muß ein Sänger von Natur eine Stimme haben, In welcher drey Requisita und drey vitia zu mercken.

Die Requisita sind diese, das ein Sänger erstlich eine schöne liebliche zittern- und bebende Stimme (doch nicht also, wie etliche in Schulen gewohnet seyn, sondern mit besonderer moderation) und einen glatten runden Hals zu diminuiren haben, Zum Andern, einen stetten langen Athem, ohn viel respiriren, halten können, Zum dritten auch eine Stimm als Cantum, Altum oder Tenor et cetera. erwehlen, welche er mit vollem und hellem laut ohne Falsetten (das ist halbe und erzwungene Stimme) halten könne.

Und hierbey sind, Intonatio und Exclamatio zu mercken.

Intonatio.

Intonatio ist, wie ein Gesang anzufangen. sind davon unterschiedliche Meinungen. Etliche wollen, daß er in dem rechten Thon, etliche in der Secunda unter dem rechten Thon, doch daß man allgemach mit der Stimme steige, und dieselbe erhebe, Etliche in der Tertia, Etliche in der Quarta, Etliche mit anmütiger und gedempffter Stimme anzufangen sey, welche unterschiedene Arten meistentheils unter dem Namen Accentus begriffen werden.

Exclamatio.

Exclamatio ist das rechte Mittel die affectus zu moviren, so mit erhebung der Stimm geschehen muß, Und kan in allen Minimis und Semiminimis mit dem Punct, Descendendo angebracht unnd gebraucht werden. Unnd moviret sonderlich die folgende Nota, so etwas geschwinde fortgehet, mehr affectus, als die Semibrevis, welche in erhebung und verringerung der Stimm ohn Exclamation mehr stadt findet, auch bessere gratiam hat. Welches in vorgedachtem Tractat außführlich unnd mit Exempeln declarirt werden sol.


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Die vitia in der Stimm, sind, daß etliche mit vielen respiriren und Athem schöpffen, etliche durch die Nasen und mit unterhaltung der Stimm im Halse, etliche mit zusammen gebissenen Zeenen singen. Welches alles nicht wol zu loben stehet, sondern die Harmony deformiret und anmutig machet.

Und biß hierher von der Natura, folget die Doctrina.


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